Wie soll ich einen, mit typisch nordafrikanischen (oder marokkanischen) Gewürzen versehenen, Fleischeintopf nennen? ‚Tajine‘ wird so etwas oft genannt, aber so ganz stimmt das hier nicht, denn ein Tajine (oder auch Tagine) ist ein rundes, aus Lehm gebranntes Schmorgefäß mit gewölbtem oder spitzem (konischem) Deckel. Ursprünglich wurde dieser Schmortopf von marokkanischen Nomaden, den Berbern, hergestellt. Er wird heute noch in den westlichen nordafrikanischen Staaten, Algerien, Marokko und Tunesien, dem Maghreb, genutzt, ist so was ähnliches, wie ein Römertopf. Auch das darin gekochte Gericht wird zwar so genannt, aber erstens habe ich es nicht im Tajine gemacht und zweitens fehlen bei mir die für das Gericht typischen Trockenfrüchte (Datteln oder Aprikosen oder Rosinen), weil ich das einfach nicht mag. Die typischen Gewürze sind jedenfalls drin und schmecken tut das ganz hervorragend.
Wenn man es genau nimmt, ist das ein völlig ungeplantes Gericht, denn eigentlich sollte es am einen Tag Mezze geben (Hummus, Baba Ganoush, Falafel, Joghurt-Dip und Fladenbrot) und am anderen Tag für den Koch ein saftiges Rib-Eye-Steak, mit dem ich eine Geürzmischung ausprobieren wollte, die mir eine Freundin als Pröbchen zugeschickt hatte.
An der Fleischtheke in einem nicht allzuweit entfernten Supermarkt war ein sehr schön marmoriertes Stück Entrecôte von der Firma Block House wohlfeil, das sah wirklich gut aus und das Herkunftsetikett war dran, was mir für meine fast schon obsessiven Recherchen bezüglich Fleisch eminent wichtig ist. Die Firma Block House steht nach eigener Aussage u. a. für „Fachgerechte Zerlegung unter höchsten Qualitätsstandards in der Block House Fleischerei“. Hier noch ein Link zu den hübschen Werbeaussagen…
Aaaaber…das Etikett mit der Herkunftsbezeichnung straft Block House Lügen!
Hinter dem EU-Code BY 10756 für den Schlacht- und (in diesem Fall auch) Zerlegebetrieb verbirgt sich die Münchner Schlachthof Betriebs GmbH, ein Betrieb, der ganz offensichtlich NICHT der ‚hauseigene‘ Zerlegebetrieb von Block House ist, sondern auch noch heftig in der Kritik wegen Tierquälerei und Hygienemängeln steht! Nachzulesen auch hier.
Der Verbraucher wird, wie so oft, hinters Licht geführt, um nicht zu sagen „belogen und beschissen“ – da kann das Fleisch noch so toll aussehen! Verständlich, dass mir mit diesem Wissen kein vorurteilsfreier Fleischgenuss mehr möglich war, nicht wahr? Das schmeckte von vorne herein schon schal…da nützte auch das tolle Steakgewürz nichts mehr. Verzeiht mir bitte, wenn meine Recherchen und Aufklärungsversuche schon fast wie ein Kreuzzug gegen die Fleischindustrie aussehen, aber ich esse Fleisch gerne und möchte das mit gutem Gewissen tun. Ich habe mittlerweile für meine Missus, die sich strikt weigert, Fleisch zu essen, nicht nur vollstes Verständnis, sondern habe auch meinen persönlichen Fleischkonsum drastisch reduziert. Es kommt nur noch Fleisch auf den Tisch, welches meinen Ansprüchen an Herkunft, Tierhaltung, Schlachtung und Zerlegung genügt – und das ist nicht nur relativ teuer (was ich preisWERT nenne), sondern auch ziemlich schwer zu finden. Als Steak wollte das nicht mehr munden…
Noch schlimmer wäre es nur, das Entrecôte nun wegzuwerfen, und so kam dieses Rezept zustande. Gulasch ’nordafrikanisch‘ also, um mir wenigstens den Appetit nicht komplett verderben zu lassen…
‚Nordafrikanisches Gulasch‘ für Vier:
800 – 1.000 g Rindfleisch zum Schmoren, in Würfel geschnitten (aus welcher Quelle muss jeder für sich selbst entscheiden) – das kann Schulter, Bug, Brust, Keule oder wie hier auch aus dem Zwischenrippenstück (Entrecôte) sein.
3 TL Kreuzkümmel, 1 TL Fenchelsamen und 1 TL Koriandersamen, 5 Gewürznelken, 5 Körner Kubebenpfeffer, 5 Pimentkörner, 1 Sternanis, 1 Stange Zimt, 1 TL getrocknete Birds Eye Chilies
10 Knoblauchzehen, geschält und grob gehackt
6 Zwiebeln, geschält, halbiert und in Scheiben geschnitten
12 kleine Flaschentomaten, geviertelt (ich lasse die Schale dran, weil das ein fast unverdaulicher Ballaststoff ist, aber wer Magenprobleme hat, kann sie natürlich auch schälen)
1 Dose (400g) San Marzano Tomaten (mit Saft)
1 L Fond (Rind, Kalb oder Geflügel)
6 EL Ölivenöl
Meersalz und schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Die Gewürze (außer Sternanis und Zimtstange) in einer beschichteten Pfanne für 6-7 Min. trocken anrösten, etwas abkühlen lassen und im Mörser oder einer Gewürzmühle pulverisieren.
Ofen auf 150°C vorheizen.
In einem großen Schmortopf Olivenöl erhitzen und Zwiebeln und Knoblauch für etwa 8 Min. anschwitzen, bis die Zwiebeln zusammenfallen. Gewürzmischung (plus Sternanis und Zimtstange) dazu geben und unter Rühren 5 Min. weiter schwitzen, dann Temperatur erhöhen und das Fleisch dazu geben und unter ständigem Rühren leicht anbraten. Auf keinen Fall Knoblauch und zwiebeln anbrennen lassen – MILDE Hitze lautet die Devise!
Die geviertelten frischen Tomaten, sowie die San Marzano Tomaten aus der Dose dazu geben und ca. 10 Min. unter Rühren weiter garen. Mit Fond ablöschen, aufkochen, mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit einem Deckel aus Backpapier abdecken.
Für 2,5 bis 4 h bei 140°C (je nach verwendetem Fleisch) im Ofen schmoren.
Mit Fladenbrot oder Reis servieren – geht auch wunderbar als Mezze oder Tapas. Weitere Mezze Rezepte gibt es demnächst hier in diesem Theater. Stay tuned & keep rockin‘ the kitchen!
„Die Fotos seien Teil einer von einem ehemaligen Mitarbeiter angezettelten Kampagne gegen den Schlachthof.“
http://www.tz.de/muenchen/stadt/ludwigsvorstadt-isarvorstadt-ort43328/tierquaelerei-hygienemaengel-anzeige-gegen-schlachthof-muenchen-tz-6106058.html
Ich hätte dieses Fleisch gegessen, wenn wie Du sagst, es gut ausgesehen hat.
Liebe Grüße
Christian
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Ich habe es ja gegessen, Christian, aber als Steak blieb es nicht nur wegen der ‚Werbelüge‘, sondern auch wegen der Qualität weit hinter den Erwartungen. Ich will damit sagen, es schmeckte bei Weitem nicht so gut, wie es aussah – erst als ’nordafrikanisches‘ Gulasch war es echt lecker – aber das liegt nicht am Fleisch. Mit diesen Gewürzen kannst alles schmackhaft machen… 😉
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Phantastisch und mundwässernd wie immer. ..ich liebe deinen Blog Mr Pfanne 😉
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Dankeschön, Nicole! 🙂
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Das koche ich nach! Das passt zu dem Schmuddelwetter! LG Cornelia
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Danke Dir, Cornelia! Schmuddelwetter haben wir erst seit heute…aber meins ist alle 😦 LG, Tommy
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Eine kurze Frage noch: der „Deckel“ soll vor Austrocknen schützen, aber gleichzeitig Reduktion erlauben? Please confirm 😉
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Genau so ist das – mach ich immer beim schmoren drauf. hab ich aus Thomas Kellers ‚The French Laundry Cookbook‘. 🙂
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Läuft!
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