Im Leben eines Hobbykochs/ einer Hobbyköchin (ich verwende der Lesbarkeit halber ab hier die maskuline Form) gibt es Phasen, Abschnitte, eine Entwicklung über Jahrzehnte hinweg. Ich behaupte das, weil ich auf eine mittlerweile über 40-jährige Laufbahn als Hobbykoch zurückblicken kann. Meist beginnt man aus einem gewissen Frust heraus selbst zu kochen. Oder aus einer Notwendigkeit. Ich sage nur: Studentenküche. In der ersten eigenen Wohnung, abgenabelt von den Lieblingsessen, die Mama oder Oma immer auf den Tisch brachten, konnte man sich entweder von Convenience ernähren (Dosenravioli) oder man besorgte sich ein paar Töpfe und Pfannen und kochte selbst. Das ist die Initiationsphase. Die kann aus den unterschiedlichsten Gründen früher oder später beginnen, aber sie wird fast immer bestimmt vom Freestyle-Kochen, was oft zu abenteuerlichen, aber trotzdem auf wundersame Weise genießbaren Eintöpfen führt.
Dann kommen die Kochbücher. In einer Zeit, als es weder Jamie Oliver noch Tim Mälzer, geschweige denn Ottolenghi (der Meister des Zusammenschmeißens) gab, hatte man noch einen Vorteil, denn die verfügbaren Kochbücher richteten sich meist an ambitionierte Köche oder an Hausfrauen, die ihren Familien etwas Gutes auf den Tisch bringen wollten. Solche Kochbücher vermittelten Warenkunde und Grundtechniken, wie Vorbereitung, Soßen, Garzeiten und später, als die Celebrity-Chefs (zumeist Michelin-besternt) ihre Bestseller auf den Markt brachten, auch Tipps und Tricks der gehobenen Küche. Kochbuchautoren wie die genannten J.O. oder T.M. richteten sich eher an Anfänger, die sich eigentlich nicht so sehr fürs Kochen an sich interessierten – Studentenküche eben. Versteht mich nicht falsch – diese Jungs haben viel für die Hobbyküche getan. Sie haben Leute fürs Kochen interessiert, die vorher nur ans Sattwerden gedacht haben. Die Kochbuch-Phase, wenn man sie durchhält, durchhalten will, dauert relativ lange. Man liest sich die grundlegenden Küchentechniken an, ohne einen Meister neben sich stehen zu haben, der einem zeigt, wie es geht und in den Hintern tritt, wenn man sich zu dusselig anstellt. Trial & Error. Je tiefer man sich einliest und je mehr man kocht, desto mehr reift der HobbyKOCH in einem.
In der dritten Phase geht es back to the roots. Der Hobbykoch hat mittlerweile viele Küchentechniken drauf, er kann mit einem scharfen Küchenmesser umgehen, ohne sich regelmäßig aufs Übelste zu verstümmeln, er kennt seine Zutaten, spricht mit ihnen und hat inspirierende Musik in der Küche laufen. Er wird ambitioniert. Er kocht nicht mehr strikt nach Rezept (so wie es die Profis tun). Er will selbst etwas erschaffen. Freestyle-Kochen gewinnt wieder an Stellenwert – nur diesmal mit fundiertem Wissen über Zutaten und Kochtechniken.
So entstehen manche Gerichte dann einfach, wenn auch nicht immer im ersten Anlauf.
Es gibt Fleisch. Fettes Fleisch. Sogar sehr fettes Fleisch, fast schon verschämt in einem Bohneneintopf versteckt. Comfort-Food für kalte Tage, wenn es draußen so richtig ungemütlich ist.
Papada Bellota ist ein spanischer Cut vom Schweinekinn, was nicht ganz dem Schweinekinn in Deutschland entspricht, sondern aus dem unteren Teil der Backe geschnitten wird. Bellota ist in Spanien die höchste Qualitätsstufe für Schweinefleisch. Die freilaufenden Tiere ernähren sich zu 30-40% von Eicheln, was dem Fleisch seinen typisch nussigen Geschmack verleiht. Papada Bellota Ibérico ist stark marmoriert, durchzogen von langen Fettsträngen, was es zu einem außergewönlich saftigen Stück macht, egal ob vom Grill, aus dem Smoker, aus der Pfanne oder im Bohneneintopf.
Das Rezept für diesen Bohneneintopf ist auf meinem Mist gewachsen. Ich hab es mehrmals gekocht, experimentiert, abgeändert, bis es so schmeckte und aussah wie ich es mir vorgestellt hatte. Gutes Essen bedeutet für mich gute Zutaten. Warum sollte ich Müllers Mühle weiße Bohnen nehmen, wenn es die göttlichen Bohnen aus Tarbes gibt? Tarbes ist eine französische Stadt im Département Hautes-Pyrénées in der Region Okzitanien. Von dort kommen die Haricots Tarbais IGP, eine feine Bohne die auch aufgewärmt nie „matschig“ wird und immer ihre Textur behält. Ähnlich verhalten sich die „Black-eyed Peas“, die Schwarzaugenbohnen, die zwar etwas kleiner sind, aber mit ihrem prägnanten schwarzen ‚Auge‘ dem Gericht eine spannende Optik verleihen.
Eine weitere wichtige Zutat ist Guanciale – ein fetter, gewürzter, luftgetrockneter, ungeräucherter Speck aus der Schweinebacke aus Italien, genau gesagt aus dem Latium, der u.a. eine unverzichtbare Zutat für Spaghetti alla carbonara ist. Auf die Idee, diesen Speck in das Rezept einzubringen brachte mich „Fave al guanciale“, ein traditionelles italienisches Gericht aus Saubohnen und Speck.
Fehlt noch das Grünzeug. Anfänglich dachte ich an Grünkohl (so in die Richtung des Nationaleintopfs aus Nord-Portugal „Caldo verde“) und das funktioniert mit Sicherheit, aber: obwohl ich in Norddeutschland („Grünkohlland“) lebe, ist es hier so gut wie unmöglich, frischen Grünkohl zu bekommen. In der Saison gibt es wohl in den meisten Supermärkten ein Kilo bereits zerrupften Grünkohl, abgepackt in große Plastiktüten und mit schon gelben und braunen Rändern, aber richtig frischen, knackigen Grünkohl am Stängel … Fehlanzeige! Wenn ihr also frischen Grünkohl bekommt, dann ja – verwendet ihn unter allen Umständen! Wenn nicht, dann macht es wie ich und nehmt Blattspinat oder Wirsing. Ich habe es auch mit Salatblättern (Roter Mangold, Rote Bete und sogar Frisée) versucht, aber die sind zu delikat und eignen sich allenfalls als Dekoration – wenngleich essbar, aber wirklich dazu passen tun sie nicht.
Zutaten für 6-8 (die Links öffnen jeweils neue Fenster mit den Bezugsquellen)
3-4 Scheiben Guanciale (ca. 0,5 cm dick geschnitten) plus 2 Scheiben in Streifen geschnitten
500 g weiße Tarbais-Bohnen (über Nacht eingeweicht)
250 g Schwarzaugenbohnen (über Nacht eingeweicht)
400 g kleine festkochende Kartoffeln (Drillinge, La Ratte oder Bamberger Hörnchen), geschält und in ca. 4 mm Scheiben geschnitten
4-5 Zwiebeln, geschält, geviertelt und in 3 mm Scheiben geschnitten
8-10 Zehen Knoblauch, geschält und mit dem Messer gehackt. Nein, nicht durch die Konoblauchpresse gequetscht! Ich verweise dezent auf meinen „Mentor“ Tony Bourdain, der sagte: „Wer Knoblauch durch die Presse jagt, soll in der Hölle schmoren!“
2 Karotten, geschält und in grobe Stücke geschnitten
3 Stangen Sellerie, geschält (ja, geschält) und in grobe Stücke geschnitten
(die Sellerieblätter können am Ende ebenfalls als Grünzeug verwendet werden – also hebt sie auf)
3 Lorbeerblätter
2-3 EL Olivenöl
1 Schuss (ca. 40 ml) Noilly Prat (trockener Vermouth)
1,5 L Gemüsefond (oder leichter Geflügelfond) plus Wasser nach Bedarf
1 große unbehandelte Zitrone, Schale abgerieben und Saft ausgepresst
1 Bund Glattpetersilie, Blätter abgezupft, Stiele entfernt
500 g Blattspinat, Wirsing oder frischer Grünkohl
Eine kleine handvoll Oregano- oder Majoranblätter
100 g spanische Chorizo (Paprikasalami), in Scheiben geschnitten
Meersalz und schwarzer Pfeffer aus der Mühle zum abschmecken
Werkzeug (die Links öffnen jeweils neue Fenster mit den Bezugsquellen)
großes Schneidebrett
Schaumlöffel
Große Bratreine mit Abtropfgitter und Küchenpapier
Kochlöffel aus Holz
Speisezange
Auf mittlerer Hitze im Bräter die Guancialescheiben und die Hälfte der Streifen anbraten/auslassen, bis sie leicht gebräunt sind und eine Menge Fett abgegeben haben. Mit einem Schaumlöffel herausheben und abtropfen lassen. Zwiebeln und Knoblauch in den Bräter geben und anschwitzen ohne zu bräunen. Olivenöl, Karotten, Sellerie, Kartoffeln und Lorbeerblätter dazugeben und für 10 Min. bei mittlerer Hitze anschwitzen. Die abgetropften Bohnen dazugeben und gut umrühren. Die Bohnen sollen leicht angetoastet werden. Mit dem Noilly Prat ablöschen, Hitze erhöhen und den Fond angießen. Guanciale dazugeben, aufkochen, Temperatur reduzieren und für 2 h sanft köcheln. Ab und zu etwas Wasser angießen – das Gemüse sollte immer bedeckt sein.
In der Zwischenzeit die Papada in grobe Streifen schneiden und ohne Fettzugabe in der Gusseisenpfanne bei mittlerer bis hoher Hitze anrösten, bis sie leicht gebräunt ist (ca. 6-8 Min). Mit Meersalz und schwarzem Pfeffer leicht würzen. Mit dem Schaumlöffel herausheben und abtropfen lassen. Das ausgelassene Fett in den Bräter zum Gemüse geben.
Nach 1 h Kochzeit die Petersilieblätter zum Gemüse geben und unterrühren. Immer darauf achten, dass das Gemüse bedeckt ist – wenn nötig, etwas Wasser angießen. Zitronenabrieb und Saft ebenfalls dazu geben und unterrühren.
Beim übrigen Grünzeug kommt es darauf an, was ihr verwendet. Grüne Wirsingblätter sollten 30 Min. vor Ende der Kochzeit zum Gemüse gegeben werden, Grünkohl etwa 15 Min. und Spinat erst ganz zum Schluss – der braucht nicht länger als 3 Min. In jedem Fall sollten Karotten und Sellerie nach 1 ½ h mit einer Speisezange aus dem Eintopf gefischt werden. Bis dahin haben sie alles Gute, was wir haben wollen abgegeben. Das ist auch der Zeitpunkt, wenn die Papada (und der Oregano oder Majoran) dazukommt, denn die soll die letze halbe Stunde im Eintopf schmoren. Mit Meersalz und schwarzem Pfeffer aus der Mühle abschmecken.
Währenddessen die übrigen Guanciale-Streifen im Saucenpfännchen auslassen und rösten und in der Gusseisenpfanne die Chorizoscheiben rösten (Vorsichtig! Die dünnen Scheiben brauchen maximal 1-2 Min!)
Ihr habt es geschafft! Den Eintopf nochmals abschmecken und mit den gerösteten Guanciale-Streifen und Chorizo-Scheiben servieren. Schmeckt, wie die meisten solcher Eintöpfe am nächsten Tag aufgewärmt noch besser.
Wie immer entstand auch dieses Rezept in der Testküche von d. die Pfanne® – der Marke für hochwertiges Kochgeschirr und Küchenaccessoires.
Fett – in jeder Beziehung!
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