Was teure Gewürzmischungen mit billigem Fleisch zu tun haben …
Vor etwas über vier Jahren begann ich, meine Rezepte und kleinen Geschichten hier aufzuschreiben, wollte den Lesern Kochen als Leidenschaft und die Küchen anderer Länder näherbringen. Begeisterung für „echtes Kochen“ wecken, mit guten Zutaten, von Grund auf und nachvollziehbar für jeden. Wenn die Rezepte nur außergewöhnlich genug sind, finden sich die Leser dafür von selbst … dachte ich. Anders sein. Nicht noch ein Foodblog, auf dem das eintausendsechshundertdreiundachtzigste Rezept für Spaghetti Carbonara veröffentlicht wird.
Ein wenig Erfahrung aus 20 Jahren fast täglichen Kochens war ja vorhanden. Eine Großmutter, deren erlernter Beruf „Hauswirtschafterin“ war. Unzählige Reisen, vor allem in asiatische Länder, deren Küchen einem den Gewürzhorizont bis in die Stratosphäre pusten.
Gewürze kitzeln nicht nur unsere Geschmacksnerven, es werden ihnen auch medizinische Wirkungen nachgesagt, die zwar mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen vielfach nicht vereinbar sind, aber dennoch eine große Anhängerschaft generieren. Gewürze können Geschmacksrichtungen unterstreichen, verstärken oder gar totschlagen, so dass nur noch der Geschmack der Gewürze zählt und das gewürzte Lebensmittel bis zur Unkenntlichkeit zerkocht wird.
Asien ist uns auch da weit voraus. Ein Mörser in der einen oder anderen Form, meist aus Stein, ist in den meisten asiatischen Küchen das, was bei uns der Salzstreuer ist. Jeder Haushalt hat einen. In solchen Mörsern werden nicht nur trockene Gewürze gemahlen, auch Pasten werden hergestellt. Bei uns sind diese Mörser zumeist in asiatischen Supermärkten zu finden – und das auch für sehr kleines Geld, denn sie sind ein Massenprodukt. Trotzdem fristen Mörser in deutschen Küchen ein Schattendasein. Meist verstaut, versteckt, vergessen in einer Schublade oder Ecke des Küchenschranks.
Dabei sind Gewürze seit zwei oder drei Jahren der absolute Renner auf dem deutschen Markt. Allerdings sind es nicht die einzelnen Gewürze, sondern oft abenteuerliche Gewürzmischungen und „Rubs“ mit teilweise absurd klingenden Namen, die für ebensolch absurde Preise verkauft werden.
Mir kommt da „Pfeffersack“ in den Sinn – eine verächtliche Bezeichnung aus dem 16. Jahrhundert für reiche Kaufleute oder Großhändler, die wohl deshalb entstand, weil der Wohlstand einiger von ihnen auf dem Handel mit Gewürzen aus Übersee beruhte, für die damals zusammenfassend der Begriff „Pfeffer“ stand. Man nehme Einzelgewürze, die man in Großgebinden billig vom Importeur einkauft, mische sie zusammen, fülle sie in kleine, hübsche Behältnisse und verkaufe sie für den 10-fachen Preis. Das freut natürlich auch die Importeure wie die Firma Fuchs Gewürze GmbH, die mit über 75% Marktanteil den Gewürzmarkt in Deutschland beherrscht. Wettbewerber wie Ostmann, Ubena und Wagner wurden nach und nach aufgekauft. Die Marken blieben bestehen. Wo nicht „Fuchs“ draufsteht, ist trotzdem „Fuchs“ drin. Auch bei den kleinen Gewürzmischern ist das so. Es gibt mittlerweile Hunderte, die dieses Geschäft mit mehr oder minder großem Erfolg betreiben, denn der Konsument will ja letztendlich Aroma und Geschmack an das billige, wässrige und geschmacklose Fleisch aus Massenproduktion bringen.
So schließt sich der Kreis. Umfragen zufolge ist fast die Hälfte (47%) der Konsumenten bereit, höhere Preise für Lebensmittel zu bezahlen, wenn dies eine bessere Tierhaltung (und damit ginge auch bessere Qualität = mehr Geschmack einher) sichere, aber die Realität sieht anders aus. In einem Feldversuch bei verschiedenen Super- und Discountmärkten der Edeka-Gruppe kauften nur 16% „Tierwohl-Produkte“, 11% Bio aber 73% bevorzugten das Billigangebot (Quelle: FAZ-Artikel vom 21.02.2019). BÄM [sic]! Billigfleisch kaufen, teure Gewürzmischung großzügig einreiben („Rub“) und schon ist das Billigfleisch geschmacklich nicht mehr zu unterscheiden!
Tatsächlich findet ein Umdenken statt. Man gibt mehr Geld für Lebensmittel aus, nur landet es irgendwie an der falschen Stelle. Kaufe 2 Kilo Schweinenacken oder -schulter für 2,77€/Kilo und reibe das mit einer Gewürzmischung für 5€ ein. Gibt lecker Pulled Pork.
Dabei sind es gerade die Gewürze, wo bares Geld zu sparen ist. Gemahlene und gemischte Gewürze haben nämlich die Eigenschaft, ihr Aroma sehr schnell zu verlieren und da diese Gewürzmischungen zumeist zwar luftdicht, aber nicht im Vakuum verpackt werden, beginnt dieser Prozess bereits beim Mahlen und Mischen in der Herstellung. Bis das Gewürz dann auf dem Schweinenacken landet, hat es bereits einen großen Teil seiner Würzkraft eingebüßt und taugt allenfalls noch als Niespulver. Macht ja nichts – dann darf es eben ein bisschen mehr sein. Oder?
Einzelne Gewürze im Ganzen und getrocknet, also die Rohstoffe für jede gute Gewürzmischung, behalten ihr Aroma erheblich länger. Wenn man sie vor dem Mahlen und Mischen noch leicht anröstet, passiert sogar das Gegenteil: Das Aroma wird verstärkt und man braucht erheblich weniger Gewürz, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Und deutlich billiger sind die Einzelgewürze außerdem.
Das Internet ist voll mit Rezepten und Informationen, welche Einzelgewürze miteinander harmonieren und welche nicht. Der eigenen Phantasie und Experimentierfreudigkeit sind keine Grenzen gesetzt. Alles, was man dazu braucht, ist ein beschichtetes Pfännchen und ein großer Mörser. Oder eine Gewürzmühle. Und ein bisschen Initiative.
Fleischklößchen, Albóndigas, Polpette, Keftedes, Köfte, Köttbullar sind in fast allen europäischen Küchen zu finden und unterscheiden sich oft nur durch die verwendeten Gewürze.
Folgt mir also und kocht mit mir scharfe Rindfleischklößchen in einer scharfen Tomatensauce, die als Tapas gegessen werden können oder auch großartig mit Pasta harmonieren.
Zutaten
Für die Albóndigas/Fleischklößchen:
500 g Rindfleisch (gut marmoriertes Entrecôte/Rib-Eye oder aber auch Flank, Bavette, Flat Iron – wenn das Fleisch nicht genug Eigenfettanteil hat, kann man auch etwas Knochenmark mit durch den Fleischwolf lassen)
1 Zwiebel, geschält und fein gehackt
1 gestr. TL schwarzer Pfeffer aus der Mühle
1 geh. TL Meersalz
1 TL neutrales Öl oder Butterschmalz
Für die Gewürzmischung:
1 TL schwarze Pfefferkörner (einen möglichst aromatischen aber milden Pfeffer verwenden)
1 TL getrocknete scharfe Pequin-Chilies (oder Birds Eye)
1 TL Kreuzkümmel (Cumin)
½ TL Fenchelsaat
½ TL Korianderkörner
Die Gewürze für 5-10 Min. bei milder/mittlerer Hitze in einem beschichteten Pfännchen trocken anrösten ohne zu bräunen. Dann im Mörser (oder einer Gewürzmühle) pulverisieren.
Für die Sauce:
4 große Schalotten, geschält und in feine Scheiben geschnitten
8 Knoblauchzehen, geschält und in feine Scheiben geschnitten
Eine kleine Handvoll Thymianzweige
1 TL grobes Meersalz
1 TL Pimento de la vera (geräuchertes Paprikapulver)
2 Dosen (á 400g) San Marzano Tomaten
3-4 EL Olivenöl
Werkzeug (alle Links öffnen ein neues Fenster mit den Produktinformationen):
großes Schneidebrett
beschichtetes Saucenpfännchen (zum Rösten von Gewürzen)
Mörser oder Gewürzmühle
2 Schüsseln (eine fürs Gemüse und eine für die Fleischmasse)
Fleischwolf
auf keinen Fall eine Knoblauchpresse!
Kochlöffel aus Holz
Küchenzange
Bratpfanne aus Gusseisen (PUREiron Ø 28 cm)
Das Fleisch auf der feinen Scheibe 2 x durch den Fleischwolf geben und mit den Zwiebeln, Salz und Pfeffer gut durchkneten. Walnussgroße Bällchen rollen und beiseite stellen.
Für die Sauce in einer hohen, beschichteten Schmorpfanne das Olivenöl erhitzen und Schalotten, Thymian und Knoblauch für etwas 5 Min. bei milder/mittlerer Hitze anschwitzen ohne zu bräunen. Meersalz und Paprikapulver dazu geben, gut unterrühren und 5 Min. weiter schwitzen. Temperatur erhöhen, San Marzano Tomaten mitsamt ihrem Saft dazu geben und aufkochen, die Tomaten dabei mit dem Kochlöffel zerdrücken und für 10 Min. köcheln.
Die gemahlene Gewürzmischung dazu geben und gut unterrühren und die Temperatur regulieren. Für wetere 10 Min. köcheln. Bei Bedarf immer wieder eine kleine Menge kochendes Wasser nachgießen – die Sauce soll nicht zu trocken werden, geschweige denn bräunen. Am Ende der Kochzeit die Stängel der Thymianzweige heraus fischen.
In der Zwischenzeit das neutrale Öl (oder Butterschmalz) in der Gusseisenpfanne hoch erhitzen und die Fleischbällchen rundum scharf anbraten. Die Fleischklößchen in die Sauce geben und für mindestens 10 Min. (oder über Nacht im Kühlschrank) ziehen lassen.
Als Tapas – kalt oder warm – oder mit Pasta servieren. Es ist genug da! Bisschen Petersilie-Chiffonade (oder Korianderblätter?) drüber streuen? Klar! Oder mit etwas geriebenem Parmesan dekorieren? Warum nicht?
Wie immer entstand auch dieses Rezept in der Testküche von d. die Pfanne® – der Marke für hochwertiges Kochgeschirr und Küchenaccessoires.
Hier und heute ist es das schöne Dekor, das ich loben will, indem ich es tue.
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