Vanillerostbraten


Zurück vom BBQ aus Südkorea wage ich mich heute auf, für mich, dünnes Eis. Ich experimentiere mit der klassischen österreichischen, und insbesondere Wiener Küche. Inwieweit ein bayerischer Franke, der viel in der Welt herum gekommen ist, sich so etwas erlauben darf, müssen meine Leser (insbesondere die aus Österreich) beurteilen.

Es gibt ‚Vanillerostbraten‘ – in Österreich ein Klassiker, den jeder dort kennt, aber die Piefkes haben davon gemeinhin wenig, bis gar keine Ahnung. Auch mir ging das so, bis ich vor mehr als 30 Jahren in Lanersbach im Tuxertal eines schönen Nachmittags zum Kaffee im Lanersbacher Hof einkehrte…

Einladende Tische, draußen, vor der Stube, Kaffee, Nachmittagssonne – es war ein wunderbarer Spätsommer, das Hotel kaum belegt und wohl aus diesem Grund nahm am Nachbartisch ein gestandener blonder Tiroler Platz, gekleidet in lange, helle Lederhosn und naturfarbenes Trachtenhemd. Flugs wurde ihm ein Viertel Wein in einer Karaffe auf den Tisch gestellt und dazu ein Glas…ein wunderschönes, schlichtes, langstieliges, dünnes Weißweinglas. Der Tommy bekam Augen wie Untertassen! So ein Weinglas hatte ich noch nie gesehen…und gerade in Österreich, zu Zeiten kurz nach dem Weinskandal (die Geschichte, als die Österreicher und auch die Deutschen Weißweine mit Auto-Kühlerfrostschutz gepimpt haben), steht da plötzlich dieses wunderschöne Glas auf dem Nachbartisch. Neugierig, wie ich war, stellte ich mich meinem Tischnachbarn vor und bekundete mein Interesse an seinem Weinglas. Ewald Kraxner war der Patron des Lanersbacher Hofs und nichts schien ihm mehr Freude zu machen, als mich nicht nur in die Welt der mundgeblasenen Riedel-Gläser, die damals gerade die ‚Sommeliers-Serie‘ auf den Markt gebracht hatten, einzuführen, sondern auch in die Welt der österreichischen Weine. Unser Gespräch endete lange nach Sonnenuntergang und 5 Flaschen Wein später. Da war ich längst zum Stammgast bei Ewald Kraxner geworden.

Und es war Ewald, traditions- und genussbewusster Österreicher, der er ist, der mir den Vanillerostbraten vorgestellt hat. Die Küche in seinem Lanersbacher Hof war zu dieser Zeit bereits eine ‚Haubenküche‘, wie man in Österreich sagt (in Deutschland haben die Michelin-Sterne diesen Stellenwert), und ja, was habe ich dort geschlemmt. Niemals die Halbpension, immer a la carte, bis zu diesem einen Abend, als das Halbpensionsgericht eben dieser ‚Vanillerostbraten‘ auf der Karte war. Ewald schmunzelte ob meiner verdutzen Frage, was denn das sei, und erklärte mir, das wäre nichts anderes als ein ‚Beiried‘ mit massenhaft Knoblauch oben drauf. Beiried? Nun – Roastbeef nennt man das hier. Und Knoblauch? Massenhaft? Okay – und wo ist die Vanille?

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Der Vanille-Rostbraten enthält normalerweise keine Vanille, sondern Knoblauch. Seinen Ursprung findet man in der der Geschichte Alt-Wiens: Im Gegensatz zur Vanille war Knoblauch in ganz Europa für jedermann zugänglich und kostete nicht viel oder gar nichts. In wohlhabenden Haushalten pflegte man die Speisen jedoch mit teureren Gewürzen zu verfeinern, wie eben auch mit Vanille aus Übersee, die als besonders kostspielig und exklusiv galt. Da sich ein ’normaler‘ Haushalt kaum Vanille zum Kochen hätte leisten können, ersetzte man sie, ohne über die geschmackliche Vergleichbarkeit nachzudenken, kurzerhand durch Knoblauch, welcher schon im Altertum als Nahrungs- und Heilmittel bekannt war und auf diese Weise den Beinamen „Vanille des armen Mannes“ bekam. Aha!

Ich war begeistert! Nicht nur von der Idee – auch von dem, was mir da serviert wurde. Aber ich wäre nicht der masked chef, wenn mir hier keine komischen Ideen kämen 😉 Ich wollte einen ‚echten‘ Vanillerostbraten, also MIT Vanille…aber nur Vanille? Nein – das wäre Betrug an diesem Klassiker. Vanille DAZU, und – weil es noch so eine luxuriöse Würze ist, fermentierter Pfeffer! Und ich gehe noch einen Schritt weiter. Kein Beileid oder Roastbeef, sondern ein Kalbssteak und ein Schweinesteak, beide am Knochen gereift – von mir aus auch ‚dry-aged‘, wobei mir dieser Begriff ziemlich hinten rum vorbei geht – früher hieß das ‚gut abgehangen‘, aber das war zu einer Zeit, als noch ALLE Metzger ihr Fleisch eben gut abhingen.

Das zu kochen geht ganz einfach. Ihr braucht:

p.P. 1 dickes Kalbssteak, Roastbeef oder Schweinesteak, von Tieren, die gut gelebt haben

1-2 Vanilleschoten

p.P. mindestens 6 Zehen Knoblauch, geschält und mit dem Messer fein gehackt (wer Knoblauch durch die Presse drückt, soll in der Hölle schmoren!)

p.P. 1 TL fermentierter schwarzer Pfeffer – optional – also muss nicht sein, ist aber l&l (luxuriös & lecker)

1 TL feinstes Butterschmalz

Salz und Pfeffer aus der Mühle

100 ml Rinder- oder Kalbsfond – OHNE Salz! Also bitte nicht aus dem Glas ausm Supermarkt! Das wird beim Einkochen so salzig, dass es das wunderbare Gericht kaputt macht! Wenn ihr keinen Fond habt, dann müsst ihr die Steaks in der Pfanne braten und aus dem Ansatz mit Wasser einen Fond machen.

50 g gute Süßrahmbutter, in Stückchen geschnitten, eiskalt

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Dazu gibt es, ganz traditionell, Bratkartoffeln – also p.P. ca. 200 g festkochende, kleine Kartoffeln (mit oder ohne Schale, ganz wie man es mag), in 3-4 mm Scheibchen geschnitten, 1-2 EL bestes Butterschmalz, eine fein gehackte Zwiebel und eine Hand voll frischen Majoran dazu (ja, ja, ich weiß, aber den Speck habe ich weg gelassen…man muss auf die resident vegetarians Rücksicht nehmen). Ich widerspreche hier jedem, der behauptet, man müsse Bratkartoffeln unbedingt in einer Eisen- oder Gusseisenpfanne machen! Kann man – muss man aber nicht. Wer doch Gusseisen bevorzugt, bekommt das hier.

Ich habe die Bratkartoffeln in meiner aktuellen Testpfanne gemacht, einer 28 x 7 cm tiefen Pfanne aus Aluminium-Druckguss, mit einer Wandstärke von satten 4 mm und einem 6 mm Boden – wiegt allerdings dann auch schon fast so viel, wie eine Gusseisenpfanne…1,8 kg 😉 Beschichtet ist sie mit einer keramisch & Titan verstärkten Antihaftbeschichtung, die für beste Ergebnisse sorgt.

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Wer diese Luxusversion von d. die Pfanne® haben möchte, wird sich allerdings noch etwas gedulden müssen, denn die steckt momentan, wegen des abnehmbaren Stiels, noch in der Entwicklung…aber ich rechne mit einer Markteinführung noch rechtzeitig vor Weihnachten 😉

Die Vanilleschoten längs halbieren und das Mark mit einem Messerrücken oder Teelöffel herauskratzen. Butterschmalz bei mittlerer Hitze schmelzen, Knoblauch, fermentierten Pfeffer (als verwendet) und Vanille (auch die Schoten) dazu geben und für 5 Min. sanft anschwitzen. Vanilleschoten herausnehmen und entsorgen. Den Topf beiseite stellen.

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Die Steaks leicht salzen und in einer Grillpfanne von beiden Seiten scharf anbraten. Fett braucht es dazu nicht, wenn das Fleisch gut durchwachsen ist. Gute Grillpfannen gibt es hier und die schwere ‚Männerversion‘ hier.

Die Steaks aus der Pfanne nehmen und im Backofen bei 90°C garziehen lassen.

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Den in der Pfanne verbliebenen Bratansatz mit dem Fond (oder Wasser) ablöschen und etwas einkochen lassen. Vanille/Knoblauch-Mischung dazu geben und erwärmen. Mit Pfeffer und Salz abschmecken. Mit den kalten Butterstückchen die Sauce ‚montieren‘.

Steaks mit der Sauce überziehen und mit den Bratkartoffeln servieren. Die Sauce ist – gerade wegen der echten Vanille – ein Traum! Losst’s eich schmecka!

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Kategorien:Basics, HausMANNSkost, KlassikerSchlagwörter:, , , , , , , , , , , , , , , ,

3 Kommentare

  1. Ein Vanillerostbraten mit Vanille! Oh nein! Die Welt steht auf kein‘ Fall mehr lang 😉

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kometenlied

    Like

  2. Das war sehr lecker heute abend!!!!!

    Gefällt 1 Person

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