Schweinsohrsülze | Nose to Tail Eating


„You can’t make a silk purse out of a sows’s ear“ sagt ein altes britisches Sprichwort, was etwa so viel bedeutet, wie „Man kann aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen“, doch ist die direkte Übersetzung etwas charmanter, denn aus einem Schweinsohr ein Seidentäschchen herzustellen, das hat was.

Ja, nee, ist klar – Schweinsohrsülze gehört nicht unbedingt zu den deutschen Klassikern, in den meisten Sülzen sind vielleicht Schweinsöhrchen drin, aber so ganz puristisch kennt man das hier dann auch wieder nicht. Nose to Tail (Eating) ist ein Trend, der von einigen selbsternannten „Fleischpäpsten“ seit ein, zwei Jahren auch in Deutschland aufgegriffen und gnadenlos vermarktet wird. Jeder ist sich da selbst der Nächste, und jedem das seine und Hauptsache mir das Meiste. Das werden „Taste Academies“ oder „Meat Events“ veranstaltet, was das Zeug hält, und die Werbeagenturen sind dankbar für die Selbstdarsteller unter den Köchen, die ihrerseits dankbar für die Werbeagenturen und die unverhofften Einnahmequellen sind. Mir fehlt da eigentlich fast immer der Hinweis auf den eigentlichen Urheber dieses Trends. Ein studierter Architekt namens Fergus Henderson hat mit seinem St. John Restaurant in London bereits 1994 eine kulinarische Institution geschaffen, deren Siegeszug unaufhaltbar war. Im Jahr 2009 wurde ihm sogar ein Michelin Stern verliehen, und das mit einem Restaurant mit Papiertischdecken!!! Fergus‘ Philosophie des Nose to Tail Eating, also der Verwertung des ganzen Tiers, das als Nahrungsmittel für die Menschen gefälligst zu sterben hatte, hat nicht nur diesen Trend kreiert, sondern auch eine Veränderung des Denkens der Konsumenten angestoßen, mit dem durchaus bemerkenswerten Resultat, dass auch die Lebensmittel-Multis sich mittlerweile mit diesem Thema auseinander setzen. Dabei hat Fergus nichts Anderes getan, als die überlieferten Kochrezepte seiner Heimat mit besten Zutaten auf die Teller der Gäste im St. John Restaurant zu bringen. Ohne Chi-Chi, Deko, linnene Tischdecken und affektiertes Servicepersonal. Kudos Mr. Henderson! Das hast Du gut gemacht. Und wir verzeihen auch den Trittbrettfahrern, die Dich in ihren Büchern, Reportagen, Events und Rezepten nicht erwähnen, denn immerhin transportieren sie die Idee, die Message, die Philosophie.

Ich stelle euch heute einen dieser, oft übersehenen, doch höchst puristischen Klassiker aus Fergus Hendersons zweitem Kochbuch „Beyond Nose to Tail“ vor.

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Schweinsohren und Schweinepfoten (das sind die Füße vom Schwein, aus denen auch die, ob des bunten Päckchens ansehnliche, aber steril anmutende Blattgelatine gemacht wird) sind BILLIG! Jeder Metzger oder Fleischer, der einen Schuss Pulver wert ist, sollte die, zumindest auf Nachfrage, besorgen können. Für eine Sülze von etwa einem Kilo, also genug als Vorspeise für 6-8 hungrige Esser braucht ihr:

4-5 Schweinsohren, gewaschen, eventuelle Borsten mit einem Einwegrasierer entfernt

1 Schweinefuß (Pfote)

1 Zwiebel, geschält

2 Karotten, geschält

1 Stange Lauch

2 Stangen Sellerie

1 Knoblauchzwiebel, halbiert

1 Strauß Petersilie, Thymian und Rosmarin

3 Lorbeerblätter

1 TL schwarze Pfefferkörner

Genug leichten Geflügelfond, um alle Zutaten in einem Topf gut zu bedecken

4 Liter Pökellake (Die Lake mache ich aus 400 g Meersalz, 400 g Rohrzucker, 12 Wacholderbeeren, 12 Gewürznelken, 12 schwarzen Pfefferkörnern, 3 Lorbeerblättern und 3,2 L Wasser. Alle Zutaten unter Rühren aufkochen, bis sich Salz und Zucker komplett aufgelöst haben. Vollständig erkalten lassen.)

Ohren und Pfote gut waschen und für mindestens 3 Tage in der Lake im Kühlschrank ziehen lassen. Gut abwaschen und für 12 Stunden in frischem, klarem Wasser wässern. Sollten sich die Ohren eingerollt haben, schneidet sie mit einem scharfen Messer ein, so dass sie sich später flach pressen lassen.

Alle Zutaten in einen Topf geben, mit dem Geflügelfond bedecken, zum Kochen bringen und zugedeckt für mindestens 3 Stunden in den auf 180°C vorgeheizten Ofen stellen. Wenn die Ohren weich und nachgiebig sind, vorsichtig aus der Brühe nehmen und beiseite stellen. Die Schweinepfote auslösen, alle Knochen entfernen und zu den Ohren geben.

Die Brühe in einen sauberen Topf abseihen und bei mittlerer Hitze auf etwa 1/3 der ursprünglichen Menge einkochen. Mit Meersalz und schwarzem Pfeffer aus der Mühle kräftig abschmecken – denkt daran: das wird kalt gegessen und verträgt daher etwas mehr ‚Umpf‘.

Eine geeignete viereckige Form (z.b. eine Kastenform für Kuchen) mit Frischhaltefolie auslegen und die Ohren und den ausgelösten Schweinefuß in Schichten hinein legen und die reduzierte Brühe darüber gießen, bis Alles gut bedeckt ist. Mit Frischhaltefolie abdecken, einen passenden Deckel aus Pappe schneiden und damit abdecken. Mit Gewichten beschweren (z.B. Dosen mit Tomaten etc.) und über Nacht in den Kühlschrank stellen. Das war es schon – am nächsten Tag kann gegessen werden!

Die Sülze aus der Form stürzen, dünn aufschneiden und mit Cornichons servieren.

Wer erinnert sich nicht aus seiner Kindheit an die Knorpel – seien sie vom Hühnchen oder vom Schweinebauch. Der leichte „Crunch“wurde und wird von vielen geliebt. Natürlich mag das nicht jeder, aber jeder, der sich an den „Knorpelcrunch“ erinnert, wird das lieben. Haut rein!

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5 Kommentare

  1. Ha, Schweineohren! Die habe ich Mitte der Achtziger Jahre in Nordportugal bei einer Gastarbeiter Familie gegessen. ( falls nicht politisch korrekt, so hieß das damals). Die hatten uns spontan eingeladen,weil wir dasselbe Autokennzeichen hatten. Geschmort hatten die das in einem Kessel über offenem Feuer. Der knorpelige Biss hat die Gastfreundschaft schon sehr auf die Probe gestellt. Aber zu der Sülze und deren Ursprung. Finde ich großartig. Übrigens auch das Foto, das erinnert an meinen Hero Irving Penn. Reduziert und spartanisch. Schön, dass dünnmache der Pause den Biss nicht verloren hast. Liebe Grüße Cornelia

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  2. Herzlichen Dank, liebe Cornelia! Das Spartanische (eigentlich das komplette Rezept) ist eine Hommage an Fergus Henderson – dessen Teller im St. John Restaurant sind immer genau das: Spartanisch und auf das Wesentliche reduziert, ohne Chi-Chi. Und nach dreieinhalb Stunden im Ofen haben die Knorpel das ‚Knorpelige‘ schon weitgehend verloren, aber nicht den Biss bzw. Crunch – muss man mögen… 😉 Es kommt darauf an, den richtigen Moment zu erwischen, bevor die Haut sich auflöst und vom Knorpel fällt, dann ist es auch für ‚Knorpelallegiker‘ essbar 😉
    Liebe Grüße
    Tommy

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  3. wie cool da sind ja die saurengurken xD eben noch von gesprochen

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