Kürzlich gab es eine recht lebhafte Diskussion wegen einer Kochbuchrezension von Tim Mälzers letztem Kochbuch ‚Heimat‘ – da hatte jemand, ich glaube im STERN war es, die Roulade nachgekocht und das ging wohl gründlich in die Hosen. Ich bin nun auch nicht gerade ein Fan von Herrn Mälzers Kochrezepten, mir geht das alles zu schnell, schnell und ’super-einfach‘. Das mag zwar für seine Zielgruppe interessant sein, aber für mich ist Kochen Entspannung pur und ich lasse mir gerne viel Zeit dabei.
Jedenfalls war dies für mich der Anlass, mich auch einmal mit Rouladen zu beschäftigen, aber ich wollte weg vom Klassiker, ohne zu ‚bemüht‘ zu wirken und am Ende etwas zu kochen, was nicht der Rede wert ist. Ich habe noch ein zerfleddertes Exemplar der Printversion von ‚essen & trinken‘ aus dem Jahr 2009 zwischen meinen Kochbüchern stecken und da wurde ich mit diesem Rezept fündig. Lange bin ich drumherum geschlichen, denn irgendwie sah es zwar ganz gut aus, aber so richtig überzeugt hatte es mich beim Lesen nicht. Karotten und Äpfel in einer Rindsroulade? Mit Apfelweinsauce? Na ja… irgendwie klingt das nicht so betörend. Beim Einkaufen entdeckte ich dann die ersten Mairübchen (Maikugeln), feilgeboten als ‚Kugelrettich‘. Kugelrettich? Noch nie gehört! Ein Bund mit 4 Stück von uniformer Größe, knackig frisch, Herkunft: Italien. Sahen für mich aus wie Mairübchen, auch wenn jetzt erst März ist. Der Klimawandel ist wohl schuld! Eins geschält und probiert. Es sind Mairübchen. Überhaupt keine Spur von Schärfe, welche die Bezeichnung ‚Rettich‘ erwarten ließe. Passt!
Das Rezept basiert größtenteils auf dem aus ‚e & t‘, Ausgabe 2/2009. Ich habe es ‚leicht modifiziert‘. Der Autor wurde dort nicht genannt, also weiß ich nicht, mit wessen Federn ich mich hier schmücke. Schmuck ist es allemal, denn das Ergebnis war…WOW!!!
Für 2 Personen:
2 Scheiben Rinderrouladen (Oberschale)
2 EL Dijon-Senf
6 Schalotten
2 große Karotten und 2 Äpfel (ich habe Bio Elstar genommen)
2 EL Zitronensaft
1 EL Thymianblätter und 2 EL Salbeiblättchen
Salz und Pfeffer aus der Mühle
3 EL Albaöl (oder Keimöl)
1 Flasche (0,7l) Cidre Brut oder trockenen Apfelwein
1 Stange Lauch und 2 Stengel Stangensellerie
4 Scheiben ‚Frühstücksbacon‘ (leicht gepökelter fetter Speck)
400 ml Rinderfond
2 festkochende Kartoffeln und 2 kleine Mairübchen (einige Blätter für die Deko aufheben)
20 g Butter und 2 EL Zucker
etwas Roux (Mehlschwitze, Einbrenn) zum Binden der Sauce
Die Rouladen mit dem Plattiereisen (oder einer schweren Bratpfanne – ein Tipp von Kebo (link), danke dafür 😉 zwischen 2 Lagen Frischhaltefolie legen und flach schlagen. Die obere Lage Folie abnehmen, die Rouladen mit Salz und Pfeffer leicht würzen und mit Dijon-Senf dünn bestreichen.
Eine der Karotten und einen der Äpfel schälen und raspeln. Mit dem Zitronensaft beträufeln, sonst werden die Apfelraspeln braun! 2 kleine Schalotten und 1 EL Thymianblättchen fein hacken und mit den Raspeln mischen. Die Mischung in ein Sieb geben und gut ausdrücken. Je zwei Streifen Baconspeck nebeneinander auf die Rouladen legen und die gut ausgedrückte Mischung drauf verteilen. Je einen EL Salbeiblättchen drauf streuen.
Die Rouladen von der schmalen Seite her fest aufrollen und mit Rouladennadeln feststecken (oder mit Küchengarn fixieren).
Backofen auf 160°C vorheizen. Karotte schälen, Selleriestangen und Lauch waschen/putzen und alles in Mirepoix (ca. 2 cm Stückchen schneiden). Öl in einem Topf erhitzen und die Rouladen von allen Seiten scharf anbraten. Die Rouladen herausnehmen und beiseite stellen. Im heißen Öl das Gemüse für 4-5 Minuten bei mittlerer Temperatur anrösten. Mit der Hälfte des Cidre und dem Rinderfond ablöschen und aufkochen.
Die Rouladen dazugeben – sie sollen nicht von Flüssigkeit bedeckt sein, sondern eher so aussehen, wie Krokodile im Sumpf… – und offen im Ofen bei 140°-150°C für mindestens 2 1/2 Stunden (auch 3 h sind in Ordnung) schmoren, dabei die Rouladen unbedingt alle 20 Minuten wenden. Wenn sie drohen, zu sehr zu bräunen, mit einem ‚Deckel‘ aus Backpapier abdecken.
Hier liegt wohl der Hase im Pfeffer, warum das Nachkochen in der Stern-Rezension ein schwaches Ergebnis brachte: In seinem Kochbuch gibt Herr Mälzer 130° und 2 h im Ofen an. Das ist mir zu wenig. Jeder, der schon oft Rouladen gekocht hat, weiß, dass die Biester gerne hart und trocken werden. Jeder, der halbwegs etwas vom Schmoren versteht, weiß, dass eine lange Schmorzeit immer ein besseres Ergebnis bringt. Wichtig ist nach meiner Meinung auch der verwendete Speck. Sogenannter ‚Frühstücksbacon‘, der etwa eineinhalb bis zwei Millimeter dick und recht fett ist, eignet sich am besten. Zu dünn und womöglich auch noch leicht geräuchert ist ein absolutes no-go!!
In einem kleinen Topf Butter und Zucker leicht karamellisieren, mit dem restlichen Cidre ablöschen und aufkochen. Die restlichen geschälten Schalotten im Ganzen zugeben und für 15 Minuten bei mittlerer Hitze kochen. Schalotten herausnehmen und beiseite stellen. Sauce auf mittlerer Hitze weiter bis auf etwa 100 ml reduzieren.
Kartoffeln schälen, Mairübchen gut waschen, in kaltem Wasser aufsetzen und zum Kochen bringen. Kochwasser leicht salzen und Kartoffeln und Rübchen leicht sprudelnd 20 Minuten kochen.
Apfel schälen, in Spalten schneiden und für 3 Minuten in der Cidresauce kochen. Herausnehmen und beiseite stellen. Von der Schmorflüssigkeit der Rouladen etwa 150 ml abnehmen und durch ein Sieb zu Cidresauce geben. Erneut aufkochen und ggf. mit ein wenig Roux leicht binden. Die Schalotten und Apfelspalten zur Sauce geben und warm stellen.
Rouladen aus dem Ofen nehmen, die Fixierung entfernen und die Rouladen halbieren. Kartoffeln und Mairübchen abgießen. Auf großen Tellern anrichten.
Das Ergebnis war höchst ungewöhnlich, kennt man Rouladen doch ganz klassisch als relativ ’schwer‘ und sehr sättigend. Hier hingegen überrascht eine gewisse Leichtigkeit, besonders durch die Kombination mit dem gekochten Gemüsen. Die Cidresauce mit den Schalotten und Apfelspalten war ausgewogen und gar nicht ‚apfelig‘. Ein Hochgenuss, der durchaus neben dem Klassiker seinen Platz haben sollte!
Obwohl die Missus überzeugte Nichtraucherin ist, war auch sie der Meinung, dass ich mir die ‚Black Market‘ im Toro-Format von Alec Bradley dafür verdient hatte 😉
der meinungbin ich auch, sieht sehr lecker sis😀
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