‚Teuflische‘ Lammnierchen | Devilled Kidneys | Nose to Tail Eating


Schon wieder ‚Nose to Tail Eating‘? Ja, natürlich! Nicht etwa, weil sich dieser Slogan seit einigen Monaten durch die kulinarische Landschaft Deutschlands schwingt, sondern weil ich mir vorgenommen habe, die Originalausgabe von Fergus Hendersons Kult-Kochbuch nach mehr als 15 Jahren endlich einmal komplett durchzukochen. Mein Exemplar der Erstausgabe hat mir der Meister anno 1999 druckfrisch persönlich in die Hand gedrückt und ich habe es versäumt, ihn um eine Widmung zu bitten. Weder Fergus noch ich konnten damals wohl ahnen, zu welch einem Klassiker sich das Buch entwickeln würde, ein Objekt der Begierde für viele seiner Kollegen. Dabei hat er nichts anderes getan, als traditionelle britische Rezepte mit dem ihm eigenen subtilen Humor aufzuschreiben. Keine ausgefeilten Sterne-Restaurant-Rezepte, sondern Bodenständiges, gespickt mit unpopulären Fleischzuschnitten und Innereien, gewürzt mit Sprüchen, wie „gebt den Zutaten Zeit, sich ein wenig kennen zu lernen“ oder „es gibt fast nichts Beruhigenderes, als immer einen guten Fond im Ärmel zu haben“.

Das Buch hat schon die volle Distanz auf dem Buckel, aber noch lange ist nicht jedes Rezept gekocht, denn viele der Zutaten waren bei uns einfach kaum oder auch gar nicht zu bekommen. So gesehen hat es durchaus sein Gutes, dass ‚Nose to Tail Eating‘ nun endlich auch hierzulande zum Trend wurde, denn nun schaut einen der motivierte Metzger nicht mehr mit großen Augen an, wenn man nach den ‚unedlen‘ Teilen vom Tier fragt.

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Devilled Kidneys – also ‚ge-teufelte Nierchen‘ – auf Toast ist ein traditionelles britisches ….Frühstück und geht zurück auf die viktorianische Zeit (1837-1901). Nieren vom Lamm werden in einer pikanten Sauce zubereitet, was in Großbritannien als ‚devilling‘ – also ‚teufeln‘ bezeichnet wird. Keine Sorge, das ist weit von asiatischer Schärfe entfernt. Hier ist es die Kombination von Cayennepfeffer, englischem Senfpulver und Worcestersauce. Die modernen Briten sind wohl doch nicht so hartgesotten, wie sie zu viktorianischer Zeit waren und so hat sich dieses Gericht mehr und mehr zu einem Abendbrot entwickelt. Ich habe dem Originalrezept gebratene Pilze hinzugefügt um der Sauce noch etwas mehr ‚Gerüst‘ zu geben. Traditionell werden die Nierchen auf Toast serviert, auch hier habe ich etwas variiert und den Toast durch längs halbiertes Ciabattabrote ersetzt.

Die Nierchen vom Eifeler Lamm habe ich bei den Genusshandwerkern bekommen – eine Art ‚Online-Wochenmarkt‘ für Fleisch, Fisch, Käse und viele weitere qualitativ hochwertigste Lebensmittel. Bis Sonntag 24:00 muss die Bestellung gemacht sein, dann wird am folgenden Freitag pünktlich bis 12:00 mit Übernachtexpress geliefert (existiert leider nicht mehr).

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Zutaten für 2 Personen:

8 Lammnieren (ca. 500-600g)

100 gr Frischpilze (braune Kulturchampignons sind gut – muss nix Edles sein)

3 gehäufte EL Mehl

1 TL (oder mehr ;)) Cayennepfeffer (alternativ Chiliflocken)

1 TL englisches Senfpulver (nun – DAS hatte ich auch nicht da und habe es durch 2 EL extra scharfen Löwensenf ersetzt)

Meersalz und schwarzer Pfeffer aus der Mühle

100 g gute Butter (bretonische Süßrahmbutter – Beurre de Baratte doux ist gut)

Worcestersauce

100 ml Geflügelfond

Ein halbes Ciabattabrot, längs aufgeschnitten und im Ofen getoastet

Die Nieren längs halbieren und mit einem sehr scharfen Messer die weißen Stränge heraus schneiden (Tipp: mit einer großen, scharfen Nagelschere funktioniert das auch für Ungeübte sehr gut). Die Nierenhälften für 30 Minuten in kaltem Wasser gut wässern, Wasser 2 x wechseln (das ist zwar bei Lammnierchen nicht unbedingt notwendig, aber ich erwähne es trotzdem – bei vielen ist der ‚Nierchen-schmecken-nach-Pipi-Gedanke‘ etwas traumatisch 😉 )

In der Zwischenzeit Mehl, Cayennepfeffer (oder Chiliflocken), Salz, Pfeffer und Senfpulver (falls man es hat – falls nicht, dann kommt der scharfe Senf erst später zur Sauce) in einer Schüssel vermischen. Von den Pilzen die Stiele abschneiden und die Kappen in grobe Scheiben schneiden. Backofen auf 220°C vorheizen.

In einer beschichteten Pfanne die Hälfte der Butter erhitzen und die Pilze bei mittlerer Hitze braten, bis die Ränder braun werden. Beiseite stellen.

Die Nierenhälften mit Küchenpapier trocken tupfen und in der Mehl-Gewürzmischung wenden. In einer großen, tiefen Pfanne die andere Hälfte der Butter erhitzen.

Brothälften in den Ofen geben und ca. 5-7 Minuten leicht toasten.

Nierchen mäßig scharf für etwa 4 Minuten anbraten, dabei mehrmals mit dem Holzlöffel umrühren. Die gebratenen Pilze, einen kräftigen Spritzer Worcestersauce und den Geflügelfond (und den Löwensenf – falls kein englisches Senfpulver da war) dazu geben und aufkochen.

Das getoastete Brot auf die Teller geben, die Nierchen mit einer Lochkelle aus der Sauce heben und auf die Brotscheiben setzen. In der Zwischenzeit die Sauce für 1-2 Minuten bei großer Hitze einkochen und dann über die Nierchen geben.

Fergus sagt: „The perfect breakfast on your birthday, with a glass of Black Velvet.“ (siehe unten – ‚Drugs‘) 😉

„Eat – Happy Birthday!“

Black Velvet ist ein Cocktail – ebenfalls aus der viktorianischen Zeit – ein Champagnerglas zur Hälfte mit ebensolchem füllen und mit Stout Bier (Guinnes oder Murphy’s) aufgießen. Am besten gießt man das Bier ganz langsam über den Rücken eines Teelöffels ins Glas – so mischen sich die beiden Flüssigkeiten nicht, da sie eine unterschiedliche Dichte haben.

And the Rock’n’Roll? The Clash – London Calling – what else?

Das Schweine-Logo am Ende dieses Beitrags erscheint mit freundlicher Genehmigung von Fergus Hendersons St. John Restaurant, London.

Kategorien:Klassiker, Nose to Tail EatingSchlagwörter:, , , , , , , , , , , , , , , , , ,

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