Der Stint hat sich vom ‚Arme-Leute-Essen‘ zu einem richtigen Trendfisch entwickelt. Ganze Busladungen hungriger Menschen werden in der Saison zum Stintessen an die Waterkant gekarrt, meist wird noch ein Kaffee-Stop auf dem Rückweg in Lüneburg eingeschlossen, denn dort gibt es eine Kneipenmeile, die ‚Am Stintmarkt‘ heißt.
Doch zuerst mal für die ‚Nicht-Nordlichter‘ – was sind denn Stinte überhaupt? Der europäische Stint ist ein kleiner, heringsartiger Fisch mit durchschnittlich 15 Zentimeter langem, silbrig glänzenden Körper, der leicht durchscheinend wirkt und graugrün bis rosa erscheint. Wer im Internet etwas recherchiert, wird auch darauf stoßen, dass Stinte als Köderfische gezüchtet werden – aber um die geht es hier nicht.
Das Verblüffende jedoch ist der Geruch – nach frischer Gurke!! Ja, richtig gelesen, diese Fischchen riechen nach Gurke, und das ziemlich intensiv! Warum das so ist…nun, ich habe mir die Finger wund gesucht, aber keine Erklärung gefunden. Ist ja auch wurscht… ääh…gurke…äääh…fisch…
Die Saison ist kurz – Ende Februar bis März sammeln sich die Stinte der Nordsee und wandern in die Unterläufe von Ems, Weser und Elbe ein, um hier über sandigen Stellen abzulaichen. Die Fischer lassen ihre Kutter im Fluss ankern und legen an beiden Seiten der Boote ihre Netze in der Flussströmung aus und dann heißt es in den umliegenden Fischkneipen wieder einmal „Stint satt!“
Stinte werden ausgenommen und ohne Kopf in gewürztem Roggenmehl gewendet und dann…da scheiden sich die Geister ein wenig, mit oder ohne Speck in Butter oder Butterschmalz oder in Öl gebraten oder frittiert. Traditionell gibt es dazu einen Kartoffel-Gurkensalat oder Bratkartoffeln. Mit oder ohne Speck. Mit oder ohne Zwiebeln. Traditionell…heut nicht bei mir 🙂
Und wo gibt es Stint?? Na beim Fischhändler an der Nordseeküste! Spaß beiseite – es gibt einen Anbieter, der verschickt frische Stinte, fertig ausgenommen und ohne Kopf über Nacht mit UPS. Ich habe meine vom Lachskontor schicken lassen – perfekt frisch, zu 500g eingeschweißt. Ich bestelle Frischfisch oft im Internet und bin damit noch nie auf die Nase gefallen.
Stint satt – mein Rezept für 2-3 Esser
1 kg frische Stinte, ausgenommen und ohne Kopf (zu bestellen hier)
150 g Roggenschrot (oder Roggenmehl – ich habe Schrot genommen)
2 EL feines Meersalz, 1 EL weißer Pfeffer aus der Mühle, 1 EL rosenscharfer Paprika
1-2 L (je nach Pfannengröße) frisches Raps- oder Sonnenblumen- oder Keimöl zum Frittieren
Zitronenspalten zum Beträufeln
Für die Sauce Gribiche
5 EL Mayonnaise und 1 EL Creme Fraîche, 2 TL Dijon-Senf
3 Cornichons, klein gehackt
2 EL krause Petersilie, fein gehackt
1 EL Estragonblätter, fein gehackt
2 hartgekochte Freilandeier, fein gehackt
Meersalz und weißer Pfeffer aus der Mühle
…und optional, wer mag: 2 EL Kapern, fein gehackt – dann ist es Sauce Tatare 😉
Für den Salat
½ Kopf Endiviensalat, gewaschen und grob geschnitten
1 Handvoll Brunnenkresse (optional – weil schwer zu bekommen)
2 Orangen – filetiert
80 ml Vinaigrette
Zutaten für die Sauce verrühren und in geeignete Schälchen füllen.. Den Salat anmachen. Roggenschrot und Gewürze gut vermischen.
Stinte unter fließend kaltem Wasser gut abspülen und leicht trocken tupfen. Öl in einer großen, tiefen Pfanne auf 180°C erhitzen.
Stinte kurz in der Roggenschrot (oder -mehl)/Gewürzmischung wälzen, leicht abschütteln, und im heißen Öl für ca. 4-5 Min. goldbraun frittieren. Auf Küchenpapier abtropfen lassen und mit dem Salat und der Sauce servieren. Keine Sorge wegen Gräten – eine Besonderheit der Stinte ist, dass ihre Gräten so weich sind, dass man sie gar nicht bemerkt! Also haut rein…Stint satt!
Das Ganze funktioniert auch, wenn man keinen Stint bekommt (oder wenn keine Saison ist). In Frankreich nennt man das ‚friture‘ – kleine, frittierte Fischchen. Am Gardasee sind es Àole. Und ich bin sicher, dass es noch viele Namen dafür gibt.
Dafür eignen sich frische Sardellen oder auch kleine, frische Sardinen. Sardinen bekommt man zumeist, wie auch die Stinte, ausgenommen und ohne Kopf. Bei den kleineren Sardellen ist das anders – die gibt es nur…öhm…komplett, sozusagen. Macht ja nichts, denn die kann man auch komplett frittieren. Aber….! Großes ABER… sie gewinnen geschmacklich ungemein, wenn man sie hinter dem Kopf zwischen Daumen und Zeigefinger nimmt und das, was da drin ist grade nach hinten durch den ‚Ausgang‘ rausstreift 😉 Macht ein bisschen Arbeit, aber glaubt mir – das ist es wert. 😉 Hatten wir erst letzte Woche… (ich habe mir die Arbeit gemacht).
Lasst es euch schmecken, auch wenn die Stint-Saison schon bald wieder vorbei sein wird.
Ich hab‘ mal im Norden an der Ems gewohnt, aber wohl nicht nördlich genug, denn vom Stint hab‘ ich bislang noch nie was gehört. Ein Fisch, der nach Gurke duftet – sehr interessant!
LikeLike
Unbedingt ein Probieren wert, Kai!
LikeLike
Hallo, Du schreibst, „die Gräten sind so weich…“ Ist es wirklich so, dass man die mit essen kann? Mir geht es so, wenn ich Gräten im Mund verspüre ist für mich das Essen vorbei. Ich würde die ja gerne probieren. Deine Beschreibung hört sich verdammt gut an. Und dann mit Sauce Gribiche. Köstlich. LG Hartmut
LikeGefällt 2 Personen
Ja, Hartmut, selbst die Rückengräte im Stint ist maximal wie sehr weicher Knorpel – die Seitlichen Gräten sind so haarfein, dass du sie überhaupt nicht bemerkst. LG, Tommy
LikeGefällt 1 Person
Als ich dein Bericht gesehen habe, habe ich sofort an die petite friture gedacht, die wir Ende der siebziger immer an der côte d’Azur gegessen haben. Ich mag diese kleinen Scheisserchen sehr. Und die kann man getrost mit allem drum und dran essen.Aber dass deine Stinte nach Gurke riechen finde ich cool. Mal was anderes 🙂 Schönes Rezept, danke dafür. LG Malou
LikeGefällt 1 Person