Fasan | Rotkohl | Topinambur


Für echte Foodies ist das Besorgen der Zutaten fast wichtiger als das Kochen. Sehen, fühlen, riechen, was im Angebot ist. „Scoring the good stuff“, wie Anthony Bourdain es nannte. Selbst in großen Städten ist das manchmal gar nicht einfach, wenngleich auch einfacher als mitten in der Pampa. Hier gehe ich einkaufen und sehe immer nur das Gleiche. Zehn Sorten Tomaten im Winter! Die gibt es immer. Wachsen zwar hier im Winter nicht, aber man will ja seine Tomaten. Winter ist eigentlich Grünkohlzeit. Besonders hier im Norden der Republik, den ich mir vor 12 Jahren als Lebensmittelpunkt ausgesucht habe. Frischer Grünkohl am Stängel? Fehlanzeige! Wenn man schon mal fündig wird, dann sind es dicke Plastiktüten, vollgestopft mit einem Kilo abgerupfter Grünkohlblätter, bereits gelb bis braun an den Enden und manchmal bis in die Spitzen. Danke, aber nein danke. In die Einkaufswagen meiner Mitmenschen schaue ich schon nicht mehr. Purer Frust schreit einem da entgegen – Details erspare ich euch.

Selbst im Gastro-Supermarkt der Nation namens Metro ist es nicht besser. Dort kaufen die Gastronomen ein. Dort schaue ich mir die überdimensionierten, panzerähnlichen Einkaufswagen noch an, aber was ich sehe gefällt mir nicht. Convenience, Fertigkram, wohin man sieht. „Vollei“ (aus Bodenhaltung) im 5-Kilo-Tetrapack. Plastiksäcke mit TK-Pommes. Unilever-Pulversaucen in Gastro-Großgebinden. Lieber Gott der Köche, bitte schick ein bisschen Wasser und spül sie alle fort!

Rotkohl, Rotkraut, Blaukraut gibt es immer. Nicht abgepackt, vorgeschnitten oder sonst auf irgendeine perverse Art vergewaltigt. Einfach kopfweise. Der muss nur noch mit einem scharfen Messer fein geschnitten werden und dann mit guten Gewürzen, Rotwein und Essig ab in den Kochtopf damit. Oh ja, klar, natürlich gibt es auch das fertig vorgekocht, mit oder ohne Äpfel, fertig im Glas oder in der Dose und das von mindestens fünf verschiedenen Herstellern. Braucht man nur noch warm zu machen und vielleicht, wenn man ambitioniert ist, mit etwas Butter zu „verfeinern“. Echt jetzt?

Nope! Wir kaufen einen ganzen Rotkohl und machen den ‚from scratch’. Schmeckt besser, ist besser und tut gut. Dazu passt ein gebratener Vogel. In besagtem Gastro-Supermarkt bekommt man einen „Jagdfasan“, also einen, der mit der Schrotflinte vom Himmel geholt wurde, in der TK-Abteilung für 4,79 plus MwSt. Teuer ist das nicht. Der hier kommt aus Lincolnshire in England und wenn die Briten mit ihrem Brexit weiter so rumeiern, dann wird man die auch noch für eine Weile kaufen können.

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Geflügel wird bei mir „gebrint“ – d.h. über Nacht in eine gewürzte Salzlake eingelegt. Das macht den Vogel nicht nur zarter (was bei Wildgeflügel wie Fasan durchaus von Vorteil ist) sondern auch saftiger. Wie das geht habe ich hier ausführlich beschrieben (Link öffnet ein neues Fenster).

Kartoffeln ersetzen wir durch Topinambur, eine Wurzelknolle die es derzeit sogar hier in der Pampa in Supermärkten gibt. Schmecken so ein bisschen nach Artischocken, sind dank des enthaltenen Inulins ein wertvoller Ballaststoff-Lieferant. Gut schmecken tun sie außerdem.

Ein bisschen ungewöhnlich – aber einfach, keine Sorge – wird es bei der Sauce. Wir machen eine Buttermilchcreme mit (getrockneten) Steinpilzen. Die passt hervorragend zum Topinambur und muss nicht einmal gekocht werden, aber einen leistungsstarken Mixer (oder eine Gewürzmühle) braucht man dafür.

Ready to cook? Hier kommen die Zutaten (reicht locker für 4)

Für die Steinpilz-Buttermilchcreme

Die muss mindestens 1-2 Tage vorher in Angriff genommen werden. Wie das genau geht schreibe ich nicht nochmals auf, denn die Anleitung habe ich bereits vor über einem Jahr veröffentlicht. Folgt einfach diesem Link, der direkt zum Rezept führt.

Für das Steinpilzpulver wird einfach eine Handvoll getrocknete Steinpilze mit einem TL Salz im Mixer oder in der Gewürzmühle pulverisiert und in die Buttermilchcreme eingerührt. Lasst ein bisschen vom Pulver für die Dekoration des Tellers beim Servieren übrig!

Für den Rotkohl

125 g beste Süßrahmbutter

1 große Zwiebel, geschält, geviertelt und in feine Scheiben geschnitten

1 Kopf Rotkohl, die äußeren Blätter entfernt, geviertelt, Strunk entfernt und in dünne Streifen geschnitten

Meersalz und schwarzer Pfeffer aus der Mühle

2 TL Zucker

400 ml Rotwein – einer, der auch in den Koch darf

100 ml guter Rotweinessig

1 TL Kümmel (optional, es gibt ja viele, die keinen Kümmel mögen)

1 Gewürzsäckchen (ich nehme dafür ein Teesieb, entferne den Metallring und binde es mir Küchengarn zu) mit:

2 Zimtstangen, gebrochen

1 TL Pimentkörner, mit dem Messer angedrückt

2 Lorbeerblätter

1 Zweig frischer Rosmarin

1 Zweig frischer Salbei (alternativ Thymian)

Für den Topinambur

4 – 8 Knollen Topinambur (je nach Größe), gut abgewaschen oder mit einer Bürste geschrubbt. Topinambur muss nicht zwingend geschält werden.

Meersalz

Wasser

30 g beste Süßrahmbutter

1 TL Zucker

Für den Fasan

1 Fasan (ca. 1 kg)

3 L Brine (Link zur Anleitung)

Meersalz und schwarzer Pfeffer aus der Mühle

1 Handvoll frische Thymianzweige

100 g beste Süßrahmbutter

5 dünne Scheiben Pancetta oder Guanciale (alternativ Schweinebauch, gepökelt)

Werkzeug (Links öffnen neue Fenster direkt zum Produkt)

hohe Gusseisenpfanne Ø 28cm

Bratreine mit Abtropfgitter

großer Edelstahl-Kochtopf (für den Rotkohl)

kleiner Edelstahl-Kochtopf (für den Topinambur)

große beschichtete Pfanne (zum Glasieren der Topinambur-Scheiben)

Saucenpfännchen (zum Erwärmen der Buttermilchcreme)

scharfes Küchenmesser

Küchenzange

Esslöffel

Schneidebrett

Küchenmixer oder Gewürzmühle

Küchensieb und passende Schüssel

Passiertuch (Küchengaze)

Gewürzsäckchen (Teesieb) und Küchengarn

Küchenpapier

Am Vortag (oder auch 2 Tage vorher) die Buttermilchcreme nach dieser Anleitung herstellen. Den aufgetauten Fasan waschen und für 24h in die Brine einlegen.

Für den Rotkohl die Butter im Kochtopf schmelzen und die Zwiebelscheiben für ca. 5-7 Min. bei mittlerer Hitze glasig dünsten. Temperatur erhöhen und den geschnittenen Rotkohl Handvoll für Handvoll dazugeben und zusammenfallen lassen, währenddessen mit Salz, Pfeffer und Zucker würzen (falls verwendet auch den Kümmel dazu geben). Mit Wein und Essig ablöschen, das Gewürzsäckchen dazugeben, Hitze reduzieren und ca. 30-40 Min. garkochen. Wenn der Kohl zu trocken wird, einen Schluck Wasser dazu geben. Am Ende der Garzeit das Gewürzsäckchen herausnehmen (ausleeren und auswaschen – das kann man immer wieder verwenden) und den Kohl beiseite stellen. Kann später wieder aufgewärmt werden.

Ofen auf 160°C vorheizen.

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Fasan unter fließend kaltem Wasser abspülen und mit Küchenpapier innen und außen gut abtrocknen. Mit Meersalz und Pfeffer aus der Mühle innen und außen leicht würzen und die Thymianzweige ins Innere stopfen. Butter in der Gusseisenpfanne bei hoher Hitze schmelzen und den Fasan im Ganzen rundherum anbraten (mit der Küchenzange ständig wenden und Hitze reduzieren). Dabei immer wieder mit einem Löffel mit der Butter übergießen. Wenn der Fasan gebräunt ist, aus der Pfanne nehmen und mit der Brustseite nach oben in die Bratreine aufs Abtropfgitter setzen. Mit den Speckscheiben (Pancetta, Guanciale)  gut bedecken und für 45 Min. im Ofen braten. Die Butter aus der Pfanne zum Rotkohl gießen (okay – wem das zu fett ist, der kann das auch entsorgen, aber es wäre verdammt schade um die gute Butter!).

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In der Zwischenzeit im kleinen Topf Wasser zum Kochen bringen, 2 EL Meersalz im kochenden Wasser auflösen und die geschrubbten Topinambur-Knollen 20 min. garkochen. Abgießen, 1-2 Min. ausdampfen lassen und in ca. 1 cm Scheiben schneiden. Butter in der beschichteten Pfanne bei mittlerer Hitze schmelzen, Zucker dazu geben und auflösen. Die Topinambur-Scheiben dazu geben und für 4-5 Min. bei mittlerer Hitze glasieren. Warm stellen.

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Nach 45 Min. die Speckscheiben vom Vogel nehmen und in Streifen schneiden und zum Rotkohl geben (oder wolltet ihr die wegwerfen?). Ofentemperatur auf 200-220°C erhöhen und den Fasan weiterbraten bis die Haut braun und knusprig ist. Ständig beobachten – wir wollen keine verkokelten Stellen auf unserem Fasan! Wenn der Fasan gebräunt ist, aus dem Ofen nehmen und für mindestens 15 Min. ruhen lassen. In der Zwischenzeit die Steinpilz-Buttermilchcreme bei niedriger Hitze im Saucenpfännchen leicht erwärmen.

Fasan zerteilen und mit dem Rotkohl, dem Topinambur und der Buttermilchcreme servieren. Etwas Thymian und Rosmarin habt ihr aufgehoben, ja? Dekorieren!

Tony – we miss you!

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Wie immer entstand auch dieses Rezept in der Testküche von d. die Pfanne® – der Marke für hochwertiges Kochgeschirr und Küchenaccessoires.

https://www.diepfanne.com

Kategorien:Feine Küche, HausMANNSkost, KlassikerSchlagwörter:, , , , , , , , , , , , , , , , , ,

2 Kommentare

  1. In der Tat ist auch für mich die Beschaffung ein großes Thema – nicht nur, weil es häufig so schwer und damit frustrierend sein kann, die gewünschten Produkte zu besorgen, sondern auch weil das stöbern und entdecken immer wieder Spaß macht.

    Den benannten Gastro-Supermarkt nutze ich für meinen Fischeinkauf. Das Preis-/ Leistungsverhältnis ist in meinem Einzugsbereich bislang ungeschlagen. Für alles andere meide ich ihn.

    Meinem Verständnis von Supermarkt kommt das „Frischeparadies“, das leider für mich nicht ohne Weiteres erreichbar ist, am nächsten. Wer das Glück hat, nahe an einer der über die Republik verteilten Filialen zu wohnen, darf sich freuen (das einzige, was mich dort stört ist bisweilen die Schampus und Austern schlürfende Kundschaft). Absolutes Highlight ist für mich der „Grand Frais“ unserer französischen Nachbarn. Hier zeigt sich, dass es einfach nicht stimmt, das Lebensmittel in Deutschland preiswerter als anderswo sind. Frische Produkte hoher Qualität gibt es in Frankreich, wie in anderen Ländern, deutlich günstiger als bei uns. Billig sind hier Süßwaren, TK-Pizzen und alles, was sonst noch von der Industrie kommt. Der Verbraucher entscheidet….

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    • Herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Das nächste Frischeparadies (Berlin) bedeutet für mich knapp 2h Anfahrt. Es gab eine Zeit, als ich einmal wöchentlich sowieso nach B musste und da habe ich dort auch eingekauft, allerdings war ich was Fisch und auch Fleisch betrifft nicht sehr zufrieden. Hamberger ist da besser (und schlägt auch Metro um Längen). So bleibt mir meist nur der Einkauf am Schreibtisch und bei unserem ambitionierten Gärtner, der etwas 15 km von hier sein „Gartenparadies“ mit saisonalem, teils exotischem Obst, Salaten, Gemüse und Kräutern betreibt. Frankreich ist für Foodies natürlich ein Paradies – da gebe ich dir unumwunden recht 🙂 aber das liegt, wie du schon schreibst, an den Verbrauchern … Franzosen sind halt fast alle Foodies 😉

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