Ein Abend im Forsthaus Strelitz


Selten geschieht es, aber weil die Küche von Wenzel Pankratz im Forsthaus Strelitz nur 35 Minuten von der Heimat des maskedchef entfernt ist, konnte ich mir anläßlich einer kleinen Wochenendpause von der Klinik ein Abendessen dort nicht entgehen lassen. Damit gibt es ein Novum hier – eine Restaurantkritik auf dem Kochblog vom maskedchef. Ehrlich gesagt ist es auch eine Art ‚Verlegenheitspost‘, denn ein Monat Klinik plus ein weiterer Monat stationäre Reha verweigern mir nachhaltig meiner liebsten Beschäftigung am Herd nachzugehen. Ganz abgesehen davon, dass ich ohne Pause nicht länger als zehn Minuten stehen kann. Aber ich will nicht rumjammern – alles wird gut!

Ich gehe eigentlich nicht gerne zum Essen, einfach weil ich Kochen so sehr liebe und zumeist auch von meinen Kollegen aus der Profiriege enttäuscht wurde. Nicht hier! Hier konnte ich beim nach Hause fahren nur sagen: „DAS…hätte ich auch nicht besser machen können!“

fullsizeoutput_352

 

Von außen eine gemütlich anmutende und einladende Waldwirtschaft, von innen geschmackvoll karg…das könnte eine abgelegene Trattoria in der Lombardei sein. Mir gefällt es jetzt schon hier…

 

fullsizeoutput_354

 

Wer ist Wenzel Pankratz? Nun – bevor ich seine Geschichte hier wiederhole, lest einfach mal den Artikel in der Effilee (das ist eine der Publikationen, die mich auf diesen außer-gewöhnlichen Küchenchef aufmerksam gemacht haben). Eine kleine Hürde gab es noch zu nehmen – im Forsthaus Strelitz gibt es ein fixes Menü (4 oder 6 Gänge), aber auf den Wunsch der Missus „bitte kein Fleisch“ wurde flexibel und problemlos eingegangen.

 

fullsizeoutput_361

 

Zum ‚Gartengin‘ mit Sanddorn-Saft und Majoran-Zucker (sauer, knackig, lecker!!) kommt als Küchengruß ein Leinsamencracker mit Steinpilzcreme – viel intensiver, als man das vom Leinsamen erwartet und sehr lecker!

 

fullsizeoutput_353

 

Der (Flaschen-)Wein ist die Hausempfehlung zum Menü – es gibt auch eine abgestimmte glasweise Begleitung, aber ich mag erstens überhaupt kein Bier (und ‚craft‘ schon gleich gar nicht) und auch die neumodischen Naturweine sind mir generell eher suspekt. Der Sentits Blancs, ein sortenreiner Garnacha aus ökologischem Anbau in Katalonien, bietet mit seinen Bitternoten auch den Fleischgängen die Stirn – kommt mir als Weißweinliebhaber sehr entgegen. Weil aber einer fahren musste, an jenem Tag hatte es die Missus getroffen, bestellten wir ein Wasser zum Schorle mixen dazu – worauf uns ohne mit der Wimper zu zucken das „Personalwasser“ angeboten wurde, weil das spritziger ist, als das ‚Medium‘-Wasser ‚für die Gäste‘ und damit viel besser für ’ne Schorle geeignet. Perfekt, wenn der Service mitdenkt!

 

fullsizeoutput_358

 

Der erste Gang ‚Spargel, Buttermilch, wilder Knoblauch‘ war dann auch der einzige, an dem ich etwas auszusetzen hatte. Nicht geschmacklich – die dicke Buttermilchcreme und das grüne Öl harmonieren bestens mit den weißen Stangen, aber die waren mir eindeutig zu weich! Ich mag ein bisschen Biß in meinem Spargel. Geklaut habe ich die Buttermilchcreme, aber ich muss mich da mit Wenzel mal unterhalten…mir ist das Zeug zu flüssig geworden 😉

 

fullsizeoutput_356

 

Das hausgebackene Sauerteigbrot ist….der HAMMER! Könnte mich glatt zum Brotesser konvertieren. Und zum selbst backen animieren.

 

fullsizeoutput_355

 

Zander, Zwiebel, Lakritz – getrocknete und geräucherte Bauchlappen (was man beim Filetieren normalerweise ‚weg trimmt‘) vom Zander mit in Milch gegarten Zwiebeln und ein wenig Lakritz drüber gerieben…Nose to Tail beim Fisch – nix wird weggeschmissen! Wenzel punktet immer mehr…

 

fullsizeoutput_357

 

Ostseemakrele, Grünkohl, F.E.T.T.E. Kartoffelcreme (hat jemand Pürée gesagt?). Ein bekannter Restaurantkritiker hat über diese Kartoffelcreme gemault…“wie Tapetenkleister“ wurde da geschrieben , „weil man offensichtlich einen Pürierstab zur Zubereitung verwendet“. Und ein Pürierstab für die Zubereitung von Kartoffelpürée geht ja schon generell mal GAR nicht!! Oder doch? Ich gestehe – ich mach‘ meine Kartoffelcreme genauso. Die muss richtig F.E.T.T. und klebrig sein. Hallo, Herr bekannter Restaurantkritiker…schon mal dran gedacht, dass das genau so gewollt ist??

 

fullsizeoutput_359

 

fullsizeoutput_35b

 

Taube, Salzgurke, Dill – mit dem Hinweis, auf den Dillblüten kurz rumzukauen und dann das Täubchen zu genießen. ‚Regional‘ heißt hier nicht nur, dass die Zutaten aus der Gegend kommen, sondern auch Reminiszenzen an die regionale Mecklenburger Küche (Schmorgurken) gemacht werden. Die Gurkenscheiben hätte es für mich nicht gebraucht, aber der Sud mit dem Dill zur perfekt rare gegarten Taube…großartig!

 

fullsizeoutput_35d

 

Gemüseessenz, Salzgurke, Douglasie – für die Missus als Ersatz für die Taube.

 

fullsizeoutput_35c

 

Rote Beete, schwarze Johannisbeere, Sattelschwein. Wie sagte Wenzel nach dem Essen zu mir? „Das Sattelschwein…so was kriegste nicht zu kaufen“ (die Schweine hält er selbst).

Und ich? Bestes Schweinefleisch, was ich je gegessen habe!

 

fullsizeoutput_35f

 

….und für die Missus zweierlei Rote Beete.

 

fullsizeoutput_35e

 

Das Dessert – gesalzene Quitte mit Schafsmilch – Volltreffer, für jemanden wie mich, der einfach keinen ’süßen Zahn‘ hat. Ein wenig süß wars schon aber eben auch sauer…ach wisst ihr was? Einfach hin fahren und alles selbst probieren. Was der Wenzel Pankratz da für 49 Euro auf die Teller bringt, rechtfertigt bei längerer Anreise sogar die Übernachtung in einem der herrlich minimalistisch gestalteten Gästezimmer. (Fotoimpressionen im Link). Für mich ist Wenzel der Mann, der den Slogan ‚brutal lokal‘ wirklich verstanden hat und ihn gleichzeitig liebevoll umsetzt. Ein Restaurant wie dieses, verdient es auf Monate hinaus ausgebucht zu sein! Von Berlin übrigens in einer guten Stunde zu erreichen.

Eigentlich sollte man solch ein Kleinod ja geheim halten, aber Wenzel Pankratz und seine Familie haben es mehr als verdient, mit ihrem Konzept Erfolg zu haben…also nix wie hin!!

 

fullsizeoutput_360

 

 

Kategorien:Feine KücheSchlagwörter:, , , , , , , , , , , , , ,

3 Kommentare

  1. Jaaa, bei der Kartoffelcreme (ich sag trotzdem Pü) hast Du recht. Es muss fettig sein. Ich nehme dazu viel viel Butter. Am liebsten die bretonische gesalzene. Und für Dich wünsche ich alles Gute vor allem gute Besserung von Deinen gesundheitlichen Problemen. Und wie Du sagst: ein Koch sollte in der Küche stehen. Das kannst Du auch bald wieder. LG Hartmut

    Gefällt 1 Person

  2. Tolles Essen. Bin gerade von Warnemünde heimgekehrt, aber ich sollte mal dringend zum Kumpel & Steuerberater nach Neubrandenburg. Ist ja quasi umme Ecke.
    Beste Genesung Tommi.

    Gefällt 1 Person

    • Stimmt – nach NB kommste quasi hier vorbei – ab 19.6. bin ich voraussichtlich wieder in Röbel (wenn alles gut läuft). Warnemünde? Da warste grad um die Ecke – bin zur Reha in Bad Doberan 🙂 Meld Dioch, wenn Du in die Nähe kommst!
      LG
      Tommy

      Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..