Zwiebelsuppe | aber ECHT jetzt…


Wieso ECHT jetzt?

‚Echte  französische Zwiebelsuppe‘ hat doch fast jedes Restaurant mit ‚internationaler Küche‘ auf der Speisekarte. Ist doch ein breitgetretener, alter Hut. Banal schon, will man sagen. In der Haute Cuisine traut sich kaum mehr einer, das auf die Karte zu setzen (obwohl jeder Sternekoch gelernt hat, wie eine echte und gute Zwiebelsuppe zubereitet wird), weil der Ruf der Zwiebelsuppe in der Gastronomie völlig ruiniert ist. Zumeist wird sie ratz-fatz hingekocht, wenn nicht gar aus der 4.370g Convenience-Konserve aus der Metro in die hübschen Löwenkopf-Terrinen gefüllt, mit einer Scheibe Weißbrot und, im besten Fall, mit einer Scheibe Gouda im Salamander überbacken und feuerheiß dem Gast hingestellt. Jeder erinnert sich doch daran, sich an einer brüllend heißen Zwiebelsuppe schon mal ’ne pelzige Zunge geholt zu haben?

Gaanz schlechtes Image, diese Zwiebelsuppe.

Dabei ist sie so simpel, die Zutaten betreffend, und dann wiederum einer der komplexesten Küchenklassiker überhaupt, denn die simplen Zutaten erfahren, fast wie durch Magie (nein, nicht Maggi – es geht hier eher um Präzision und um Zeit, viel Zeit), eine Metamorphose, die ihresgleichen sucht.

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Wie lange braucht man, um eine echte, richtig gute Zwiebelsuppe zu kochen?

Wer jetzt erschrickt braucht gar nicht weiterzulesen… 8 Stunden! Spinne ich? Nö, und die französischen Mamans spinnen auch nicht, und schon gar nicht die Sterneköche, die ihre Zwiebelsuppe so kochen. Wer schon mal in einem richtig guten Restaurant eine Zwiebelsuppe gegessen hat und dann versucht hat, die nach der Expressmethode zu hause nachzukochen, hat sich vermutlich gewundert, was da nicht so ganz geklappt hat. Irgendwie Salz hat gefehlt, und Zucker (der in einer Zwiebelsuppe ganz und gar nichts verloren hat), und überhaupt war sie, trotz heftigstem Nachwürzen so ganz anders, als die ‚Gute‘.

Die Basis ist: karamellisierte Zwiebeln. Nicht gebräunt oder angebraten. Karamellisiert! Die natürlich in den Zwiebeln gespeicherten Fruktane werden nur durch durch langsames Karamellisieren freigesetzt – wenn man die Zwiebeln einfach nur äusserlich schnell bräunt, erreicht man das Gegenteil. Sie werden leicht bitter und nicht süß. Spätestens da fängt der Amateur an, Zucker rein zu schmeißen.

Immer noch interessiert? Schön! Dann lasst uns loslegen…

 

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Für Vier:

4 kg gute Zwiebeln (müssen nicht unbedingt die rosa Roscoff-Zwiebeln sein, aber die sind besonders süß)

200g gute Süßrahmbutter (ungesalzen)

2 Liter Fond (Brühe) – Rind- (klassisch), Hühner- (leicht) oder Gemüse- (vegetarisch) – aber keinesfalls industriell gefertigten Gläschenfond! Die Süße der Zwiebeln ist so fein, dass sie durch diese salzigen Industriebrühen zerstört würde! Selbst gemacht (und ohne Salz!) lautet hier die Devise.

Ein Spritzer Sherry-Essig

Meersalz zum Nachwürzen

Ein Sachet (Gewürzsäckchen) mit 3 Lorbeerblättern, 12 schwarzen Pfefferkörnern und 6 dicken Zweigen frischem Thymian

Ein Parisienne oder Baguette, etwas Olivenöl zum Bestreichen und Meersalz zum Würzen

12 Scheiben Comté (oder einen anderen guten, würzigen Käse) plus 9 EL grob geriebenen Käse (den gleichen, wie die Scheiben, natürlich!)

Zwiebeln schälen, beide Enden abschneiden, halbieren und in möglichst gleichmäßige Scheiben schneiden (ca. 3 mm dick). Die Scheiben sollen sehr gleichmäßig sein, denn nur so können sie auch gleichmäßig karamellisieren. In einer großen Schüssel leicht durchkneten, so dass sich die Scheiben trennen. In einem großen Schmortopf die Butter bei mittlerer Hitze schmelzen, Zwiebeln mit 1 TL Salz dazu geben und die Temperatur auf niedrigste Stufe reduzieren. Alle 15 Min. gut umrühren und für etwa 1 Stunde glasig dünsten. Die Zwiebeln sollten dann komplett weich sein und viel Flüssigkeit abgegeben haben. Jetzt kann die Temperatur ein WENIG erhöht werden, um die Flüssigkeit einzuköcheln, aber es ist wichtig, hier nicht ungeduldig zu werden und die natürlichen Zuckerstoffe der Zwiebeln LANGSAM karamellisieren zu lassen. Dieser Prozess dauert etwa weitere 4-5 Stunden, dabei alle 15 Min. gut umrühren und mit einem Holzlöffel eventuell entstehenden Bratansatz vom Topfboden kratzen. Ich sage es noch mal: GEDULD! Es wird etwa 3-4 Std. dauern, bis die Zwiebeln beginnen, Farbe zu nehmen. Nur auf diese Weise werden die Zwiebeln komplett durchkaramellisiert und entwickeln die begehrte Süße, anstatt nur oberflächlich gebräunt und leicht bitter.

 

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Behaltet eure Zwiebeln gegen Ende der Kochzeit, wenn die Flüssigkeit komplett verkocht ist unbedingt im Auge und rührt öfter um – ihr wollt ein schönes karamellisiertes Braun, aber keine Röstaromen! Eine gute Zwiebelsuppe zu kochen erfordert Hingabe – stehen, rühren und beobachten – eure Zwiebeln werden merken, wenn ihr liebt, was ihr tut und die Suppe wird wahrhaftig eine Offenbarung sein! Oder sie merken, wenn ihr ungeduldig werdet und benehmen sich schlecht…

 

 

Drei Viertel sind geschafft – die kritische Arbeit ist erledigt. Hier könnt ihr eine Pause von bis zu 2 Tagen einlegen und die Zwiebeln im Kühlschrank parken (die Suppe wird tatsächlich noch einen Tick besser, wenn die karamellisierten Zwiebeln einen Tag ruhen können).

Ab hier ist es Brühe, Würzen und Finish! Ahh – die Brühe…der Fond! Klassisch ist eine leichte Rinder- oder Kalbsbrühe, aber auch Geflügel- oder Gemüsebrühe ist okay – nur selbst gekocht und OHNE SALZ muss sie sein. Lasst euch keinesfalls verführen, zu industriell gefertigtem Gläschenfond zu greifen! Diese Fonds enthalten ausnahmslos viel Salz.  Die Süße der Zwiebeln ist so fein, dass sie durch diese salzigen Industriebrühen zerstört würde. Nehmt lieber Wasser, wenn ihr keine gute, selbst gemachte Brühe ohne Salz habt. Das ergibt zwar eine etwas leichtere Suppe, aber es wäre ein Frevel, die Arbeit von 6 Stunden mit salzigem Gläschenfond zunichte zu machen…

Die Zwiebeln langsam erhitzen, mit der Brühe oder Wasser aufgießen, das Gewürz-Sachet dazu geben und zum Köcheln bringen.

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Die Suppe für eine Stunde sanft köcheln, von der Hitze nehmen und mit einem Spritzer Sherry-Essig und Salz (falls nötig) abschmecken. Sachet heraus nehmen.

Backofen (Oberhitze) auf 220° vorheizen. Parisienne oder Baguette in knapp 1 cm dicke Scheiben schneiden, auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen, leicht mit Olivenöl bestreichen und mit etwas Meersalz würzen. Im Ofen auf beiden Seiten goldbraun rösten, herausnehmen und beiseite stellen. Den Ofen an lassen.

Die Traditionalisten dürfen nun aufschreien und ‚Frevel!!‘ rufen, aber ich serviere die Zwiebelsuppe nicht in den klassischen Löwenkopfterrinen, wo der zerlaufene Käse über den Rand läuft und festbackt. Ich ziehe einen großen, ofenfesten Suppen- oder Pastateller vor (meine sind von Churchill und absolut ofenfest). Das hat außerdem den Vorteil, dass beim Servieren die Hitze etwas schneller entweichen kann und man sich nicht mehr zwingend die pelzige Zunge holt 😉 Die Suppe kurz erhitzen und auf die Teller verteilen. Brot- und Käsescheiben drauf legen, mit dem grob geriebenen Käse bestreuen und im Ofen überbacken bis der Käse leicht gebräunt ist und eine Kruste gebildet hat.

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Ist das die Arbeit wert? Urteilt selbst – gut, Fotos kann man nicht schmecken, aber probiert es mal an einem regnerischen Wochenende aus. Wenn ich Zwiebelsuppe ankündige, zaubert das ein Lächeln auf das Gesicht meiner Missus…und allein schon das ist es wert. Das Rezept ist, bis auf winzige Veränderungen, von Thomas Keller, dem Jahrhundertküchenchef der French Laundry in Yountville/Kalifornien (einer der beständigsten 3*** Michelin-Chefs, der liebt, was er tut, ohne Chichi).

Bon Appétit

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Entstanden ist das Rezept wie immer in der Testküche von www.diepfanne.com

Keep cookin‘!

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20 Kommentare

  1. sehr lecker, das Rezept gefällt mir- danke Dir!

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  2. Ich schätze mal, dass in den Kochblogs wenig Leute unterwegs sind die sich diese Zeit nehmen. Die müssen dann aber auch auf diese Köstlichkeit verzichten. Qualität braucht eben Können, gute Zutaten, Liebe und Zeit die man aufwendet um ein super Resultat zu erhalten. Danke für Deine Anregungen und Rezepte. LG Hartmut

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  3. Vielen Dank für dieses tolle Rezept. Kenne diese Zubereitungsart noch aus meiner Lehrzeit. Mein damaliger Küchenchef hatte die Zwiebeln noch mit einem guten Weisswein abgelöscht, und mit Pernod aromatisiert. Werde ich auf jedenfall nachkochen….Geschmackserlebnis pur ;~)

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    • Aus der Lehrzeit? Freut mich sehr, als Amateur Lob von Profis zu bekommen…Dankeschön!
      Wein oder Pernod verwende ich anderweitig oft und gerne (und auch Noilly Prat), aber bei der Zwiebelsuppe bin und bleibe ich lieber Purist 😉

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  4. Es herbstlt.Der Garten ist eingewintert u.somit ist es an der Zeit die echte Zwiebelsuppe anzugehen.Bin grad in der Karamellisierphase…hab’rote Zwiebeln verwendet.Freue mich schon riesig in 2Tagen das Ergebnis mit einem Freund verkosten zu können.

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  5. Das Ergebnis ist ein kulinarisches Highlight geworden!

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  6. Frage: Geschieht das glasig dünsten und karamelisieren der Zwiebeln bei Dir mit geschlosenem Deckel, geöffneten oder ab zu zu geöffneten?

    Grüße!
    Kai

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  7. Hey,
    sind wirklich 4 kg Zwiebel notwendig? Kommt mir etwas viel vor 🤔. Rezept klingt wirklich gut, werde ich auf jeden Fall nachkochen.
    Danke schonmal.

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  8. Großartiges Rezept!!! (auch wenn mich meine Familie jetzt für verrückt hält)

    Einige technische Fragen:

    1. Wo bekommt man einen Bräter für 4kg Zwiebeln her? hab jetzt einfach einen 2. gekauft, würde mich aber trotzdem interessieren.

    2. Kann man die Zwiebeln auch auf einem Gasherd karamellisieren, oder ist die Hitze dann zu groß?

    3. Haben sie zufällig mal ein Speisethermometer benutzt, um zu sehen, was die „richtige“ Temperatur ist?

    Vielen Dank, das Rezept hat mich den Versuchen der Haute Cuisine etwas näher gebracht 😀

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    • Hallo Stephan – Frohe Weihnacht für Dich & Deine Familie und vielen Dank für Deinen Kommentar. Gerne beantworte ich Deine Fragen:
      1. Ich habe einen Ø28 cm Gusseisenbräter von Le Creuset – der reicht eigentlich immer aus. Ist halt teuer, aber eine Anschaffung fürs Leben ;). Die 4 Kilo Zwiebeln fallen im Lauf der Stunden eh‘ so weit zusammen, dass am Ende nur noch der Boden bedeckt ist.
      2. Auf allerkleinster Stufe geht das – eventuell zwischendurch mal etwas abkühlen lassen und dann wieder drauf stellen. Ich hatte früher in meiner Londoner Küche einen Gasherd, da hab ich es auf dem kleinsten Brenner bei kleinster Stufe gemacht – durch die gute Leitfähigkeit und Wärmespeicherung vom Gusseisen hat das hervorragend funktioniert.
      3. Nein – das habe ich nach all den Jahren „im Gefühl“, deshalb könnte ich auch nicht sagen, welche Temperatur da richtig wäre.

      Viel Freude weiterhin beim Kochen & herzliche Grüße,
      Tommy

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  9. Wor haben die Suppe nachgekocht und sind wirklich begeistert gewesen. Super lecker!!! Die Stunden sind es Wert.

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