Beef Tea!


….oder was hat Beef Tea mit der Steckrübe gemeinsam?

Beef Tea, also zu Deutsch „Rindfleisch-Tee“ geistert ja nun nicht erst seit gestern durch die deutsche Trendfood-Landschaft. Zahllose Foodblogs haben sich des Themas schon angenommen und spätestens, seit „Broth-to-go“ aus den US of A herübergeschwappt ist („Broth“ ist zu Deutsch nichts anderes als „Brühe“) und dem „Coffee-to-go“ versucht, den Markt streitig zu machen, hat sich „Beef Tea“ zu einem geflügelten Wort entwickelt, das fast jeder schon einmal gehört hat.

Seit kurzem wird sogar „T-Bone-Tea“ als ‚Innovation‘ angeboten – in nette Teebeutelchen a 20g verpackte gekörnte Brühe zum Preis von €14,90 je 6 Stück (zzgl. Versandkosten). Das macht 2,48 je Beutelchen. Für gekörnte Brühe. Na ja, immerhin wird auf die üblichen Geschmacksverstärker wie Mononatriumglutamat, Dinatriumguanylat oder Dinatriuminosinat verzichtet, aber ansonsten decken sich die Zutaten mit vergleichbaren Produkten, etwa Maggi Herzhafte Rinderbrühe ‚extra kräftig‘. Die kostet allerdings nur 30 Cents für 20 gramm. Wie schreibt der Anbieter gourmetfleisch.de in seiner Warenbeschreibung? „Nach jahrelanger Entwicklung sind wir nun vollkommen glücklich über unsere Innovation T-Bone Tea. Sie besetzt eine Marktlücke und ist für Steak- und Teeliebhaber gleichermaßen eine willkommene Abwechslung.“ Innovation…aha!

Was hat nun Beef Tea (und seine Derivate) mit der Steckrübe gemeinsam? Zunächst einmal, das  es ein ‚alter Hut‘ ist. Kriegsfutter! Schon mal was vom „Steckrübenwinter“ gehört? Nein? Geschichte 6 – setzen! Diese Bezeichnung bezieht sich auf eine Hungersnot im Deutschen Reich im Winter 1916/17 während des Ersten Weltkriegs. Da gab es morgens, mittags und abends…Steckrüben.

Beef Tea ist schon ein wenig älter. Er wurde aus Rindfleischextrakt mit heißem Wasser aufgegossen und gehörte unter dieser Bezeichnung zur Kriegstruppenverpflegung. Justus  Liebigs Rindfleischextrakt wurde bereits um 1862 von in riesigen Mengen in Uruguay erzeugt und gewann rasch an Bedeutung.

Nur wenige Jahre später wurde ein Fleischextrakt vom zu der Zeit in Kanada lebenden Schotten John Lawson Johnston als Nahrungsmittel für Soldaten während des Deutsch-Französischen Kriegs entwickelt und zunächst unter dem Namen  ‚Johnston’s Fluid Beef‘ an die Armee von Napolen III geliefert. Später wurde das Zeug ‚Bovril‘ genannt und wurde zu einer Ikone des britischen Lifestyle – vor allem in Fußballstadien während der Winterzeit gehört Bovril (mit heißem Wasser aufgegossen und serviert in Pappbechern – also ‚to-go‘) dazu, wie das Stadionbier in Deutschland.

Liebigs Fleischextrakt gibt es heute noch vereinzelt für relativ teures Geld im Feinkosthandel.  Die Marke gehört Continental Foods Belgium (N.V.) , so wie z.B. auch ‚Erasco‘. Der Hersteller ist allerdings nicht so einfach zu ermitteln. Warum wohl?

Aus der Produktion von Liebigs Fleischextrakt in Uruguay entwickelte sich die britische Marke ‚Oxo‘, die auf der Insel eine ähnliche Bedeutung hat, wie bei uns Maggi (gehört zu Nestlé) oder Knorr. Nach Zwischenstation bei Unilever wurde die Marke Oxo von der Campbell Soup Company übernommen und landete mit dem Verkauf von Campbell schließlich bei Premier Foods. Obwohl Premier Foods im Wettbewerb mit Unilever (Eigentümer von Knorr) steht, gibt es z.B. in Kanada Oxo by Knorr® Beef Sachets was ist ein ‚Sachet‘? Hmm…ein Teebeutelchen.

Also nichts mit ‚Innovation‘ bei gourmetfleisch.de!

Auch Bovril gibt es heute noch – allerdings ist da kein Fleischextrakt mehr drin. Bereits 2004 hat sich Unilever entschieden, Bovril nur noch vegetarisch herzustellen und liegt damit im Wettbewerb mit Hefe-Extrakt-Produkten wie Vegemite (The Kraft Heiz Company – seit 2015) und Marmite (Unilever), die bei uns relativ bedeutungslos sind.

Woher kommt also der Grundstoff ‚Fleischextrakt‘??

In Brühwürfeln und in gekörnter Brühe ist…Fleischextrakt. In Gläschenfonds, die es unter verschiedenen Labels in jedem Supermarkt gibt (die bekanntesten dürften Lacroix – gehört zu Campbell, und damit zu Premier Foods – und Jürgen Langbein – die gehören zur Rila-Unternehmensgruppe – sein) ist….Fleischextrakt. In Fertiggerichten ist…Fleischextrakt.

Ich stelle jetzt einfach einen Verdacht in den Raum. Ein begründeter Verdacht, wie ich meine, aber beweisen werde ich ihn kaum können. Dazu habe ich in meiner Eigenschaft als Foodblogger nicht die Ressourcen. Und ein Detektiv bin ich auch nicht.

Fleischextrakt wird von den Multis hergestellt! Und was da verarbeitet wird, will eigentlich niemand wissen. Leider!

Nestlé, Unilever, The Kraft Heinz Company, Premier Foods. Das ist ein riesiger Markt, denn das Zeug ist in sämtlichen Convenience-Produkten vertreten – auch im T-Bone Tea von Gourmetfleisch.de. Oder glaubt hier irgendjemand, dass Schulte & Sohn den Fleischextrakt für ihren T-Bone Tea selbst herstellt?

Und was ist mit dem (durchweg von den Verbrauchern als ’sehr gut‘ bewerteten) Liebig Fleischextrakt? Der wird von der Raoul Russo GmbH in Greven vertrieben. Als Herkunftsland wird Belgien angegeben, was uns wieder zum Inhaber der Marke ‚Liebig‘ Continental Foods Belgium (N.V.) führt. Aber wer das Zeug nun wirklich herstellt, bleibt im Dunklen. Da wird ein Massengrundstoff der Multis abgezweigt, in hübsche Töpfchen verpackt und zu fast 30 Euro für 100 g verkauft. Na Dankeschön!

Vielen Dank fürs Lesen bis hierher.

Nein, ein Rezept für Beef Tea wird es hier nicht geben, denn wie man einen Fond kocht, aus selbst gewählten Zutaten, so dass man weiß, was drin ist, und den bis zur gewünschten Konzentration reduziert, habe ich schon in einem meiner ersten Beiträge gepostet. Und wie man einen Kalbsfond kocht ebenfalls. Von da zum ‚Beef Tea‘ ist es nur ein kleiner Schritt…und es gibt bei anderen Foodblogger-Kollegen genügend Rezepte dafür.

Lasst euch von den Vermarktern von Lifestyle- oder Trendfood nicht verarschen. Es sind wieder einmal Marketing und unverschämte Werbeaussagen, die euch dazu verführen sollen, dieses minderwertige Zeug zu kaufen. Packerlfood ist nun auch bei den Gourmets angekommen….

 

 

 

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7 Kommentare

  1. grossartig wieder mal, ich teile
    lg Sina

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  2. Na prima recherchiert ! Aber „die Gangster“ lassen sich nicht ins Töpfchen schauen. Schlimm die „New Style“ Trittbrettfahrer die auch in Gangstermanie ihr “ Süppchen vergolden “ wollen !

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    • Dass sie ihr Süppchen vergolden wollen muss man ihnen ja nicht übel nehmen, es ist immer der Kunde, der sein Geld dafür ausgibt. Nur, wenn die Werbung zur offensichtlichen Verbrauchertäuschung wird krieg ich einen Hals 😉

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  3. und ich dachte noch, dass in einem Gläschen Liebig Fleischextrakt wirklich eingedampfte Fleischbrühe sein könnte 😉

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