Gekochter Schweinebauch | Linsen – Nose to Tail Eating


Nose to Tail (ohne ‚Eating‘) schleicht immer noch durch die deutsche Koch- und Küchenlandschaft, vor allem im Marketing einiger Fleischhändler und seltsamerweise auch Küchengerätehersteller taucht der Slogan immer wieder auf. Klar, ist ja auch eine tolle Catchphrase – Marketingprofis und Werber lieben so etwas. Wie ging der Song von den Prinzen gleich wieder…? Alles nur geklaut!

Kaum einer der Werbetreibenden besitzt den Anstand auf den Urheber dieser Catchphrase hinzuweisen – Fergus Henderson aus London, Autor des Kult-Kochbuchs ‚Nose To Tail Eating‘. Nose to Tail, also ‚von der Schnauze bis zum Schwanz‘ wird von den Protagonisten dieser ‚Bewegung‘ (Philosophie mag ich das nicht nennen, denn so haben unsere Großeltern schon gekocht) bis zum Erbrechen erklärt, warum und weshalb und wie man dem Tier, welches man isst, den größten Respekt zollen kann und sollte. Dabei hat Fergus seine Erklärung für den Titel des Kochbuchs nur in seinem Vorwort in einem einzigen Satz erwähnt!

Die Wenigsten scheinen Fergus verstanden zu haben. Seine Triebfeder war es, ein Kochbuch über traditionelle Küche zu Hause und mit Freunden zu schreiben und nicht, wie man tolle Teller aus seinem Restaurant nachbaut, geschweige denn war es seine Intention eine Philosophie loszutreten. Der Untertitel seines Kochbuchs ‚A Kind of British Cooking‘ verdeutlicht dies ebenfalls.

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Ich koche mich nun seit 17 Jahren durch dieses Buch, viele Gerichte wurden zum Klassiker in meiner Küche zuhause und besonders in der Herbst- und Winterzeit begeistern Fergus‘ Rezepte immer wieder aufs Neue. Heart & Soul Comfort Food. Sollen die, die mit Fergus‘ Slogan Werbung treiben machen, was sie wollen – ich habe diese Gerichte schon gekocht, da hatten die noch nie etwas von diesem Buch gehört.

Es gibt da ein Rezept, an das habe ich mich nie so richtig rangetraut. Abwandlungen davon ja, aber original nachgekocht habe ich es noch nie. Bis heute.

Zum Einen hatte mich abgeschreckt, dass der Schweinebauch für 10 Tage (!)  in Pökellake verbleiben sollte und zum Anderen hatte ich bis dato kein solch perfektes Stück Schweinebauch bekommen. Abhilfe konnten da, wie so oft, die Genusshandwerker aus Düsseldorf schaffen. Ein knapp 2 kg schweres Stück fetter Schweinebauch vom Noir de Bigorre Schwein – wie für dieses Rezept gewachsen.

Wie mache ich eine Pökellake?

600 g Meersalz, 400 g Rohrzucker, 12 Wacholderbeeren, 12 Gewürznelken, 12 schwarze Pfefferkörner, 3 Lorbeerblättern und 4 Liter  Wasser unter ständigem Rühren aufkochen, bis sich Salz und Zucker komplett aufgelöst haben. Vollständig erkalten lassen und in ein  passendes Gefäß füllen (z.B. ein rechteckiger Plastikbehälter mit Deckel).

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Den Schweinebauch in die Lake legen und mit einem geeigneten sauberen (mit kochendem Wasser gewaschenen) Gegenstand beschweren, so dass er völlig von Flüssigkeit bedeckt ist. Für 10 Tage kalt stellen. Keine Sorge – die 10 Tage braucht der Schweinebauch. Wegen des hohen Fettgehalts macht ihm das gar nichts aus. Nur vor der Zubereitung sollte er gut in kaltem Wasser gewässert werden (ca. 30 min., 3 x Wasser wechseln).

Für den Schweinebauch

3 Karotten und 1/4 Sellerieknolle, geschält und in grobe Stücke geschnitten

2 Stangen Lauch, geputzt und getrimmt, in ca. 10 cm Stücken

2 Knollen Knoblauch, in der Mitte angeschnitten

2 Zwiebeln, geschält und mit je 8 Gewürznelken gespickt

1 Bündel frische Kräuter (Thymian, Rosmarin, Petersilie)

1 EL schwarze Pfefferkörner

Für die Linsen

500 g italienische braune Berglinsen oder Puy-Linsen

1 Zwiebel, geschält, geviertelt und in dünne Scheiben geschnitten

1 Stange Lauch, geputzt und in dünne Scheiben geschnitten

5 Knoblauchzehen, geschält und fein gehackt

2 Karotten, geschält, längs geviertelt und in 3 mm Scheiben geschnitten

1 Bündel Thymian und Petersilie

Meersalz und Schwarzer Pfeffer aus der Mühle

Gutes Olivenöl

1 Handvoll gehackte Petersilie zum Bestreuen

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Den Schweinebauch und die Zutaten in einem großen Topf mit Wasser bedecken, zum Kochen bringen und aufsteigenden Schaum abschöpfen. Temperatur reduzieren und für 3 1/2 h bei geschlossenem Topf ganz schwach köcheln. Ab und zu Deckel hochheben und prüfen – es soll nur minimal simmern, auf keinen Fall ‚rollend‘ kochen.

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Eine Stunde vor Ende der Garzeit des Schweinebauchs die Linsen kochen. Zwiebeln und Knoblauch in 5 EL Olivenöl bei mäßiger Hitze anschwitzen, das Gemüse dazu geben und 3 Minuten weiter schwitzen.

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Die Linsen dazu geben und unter Rühren für 2 Minuten mit dem Gemüse anschwitzen. Mit Wasser ca. 2 Finger breit bedecken, das Kräutersträußchen hinein legen und zum Köcheln bringen. Unter gelegentlichem Umrühren für etwa 40 Minuten sanft köcheln. Wenn die Linsen gar sind, die Kochflüssigkeit durch ein Sieb abgießen, Linsen mit Salz und schwarzem Pfeffer aus der Mühle würzen und 2 EL Olivenöl unterziehen. Warm stellen.

Wenn der Schweinebauch fertig ist, sollte er so aussehen:

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Schweinebauch vorsichtig aus der Brühe heben und in Scheiben schneiden. Die Linsen mit der gehackten Petersilie bestreuen und, falls sie ein wenig müde aussehen, einen kräftigen Schuss Olivenöl dazu geben und gut untermischen.

Auf großen Tellern servieren und den Schweinebauch drauf setzen. Frisch geriebenen Meerrettich, mit Creme Fraîche angemacht (Sahnekren) , und  scharfen Senf dazu reichen. Überzeugt eure Gäste, auch das Fett zu essen – es schmeckt himmlisch. Kommt für mich auf einem level mit Lardo die Colonnata! Notfalls könnte man noch betonen, dass das Gericht absolut ‚Low-carb‘ ist…das würde möglicherweise so manche Zweifler dazu bewegen, es zu probieren 😉

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Für die Reste folgt eine Kurzanleitung, demnächst in diesem Theater. Stay tuned and dig in!

Mein Dank geht an Fergus Henderson und die St. John Group.

Das Schweine-Logo am Ende dieses Beitrags erscheint mit freundlicher Genehmigung von Fergus Hendersons St. John Restaurant, London.

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Kategorien:Basics, HausMANNSkost, Klassiker, Nose to Tail EatingSchlagwörter:, , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

8 Kommentare

  1. In Vietnam gelten verschiedene Variationen von zubereiteten Schweinebauch schon immer als besondere Spezialität. In der Oberpfalz (Heimat meiner Mutter ) wird immer das ganze Tier verwendet.

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    • Nicht nur in Vietnam (ich liebe die vietnamesische Küche genauso wie die Indonesische), und auch in Oberfranken, meiner alten Heimat habe ich von meiner Großmutter viele ‚Nose to Tail Gerichte‘ gekocht bekommen – als es diesen Slogan noch gar nicht gab. Aber genau das meinte Fergus Henderson, als er sein Restaurant in London eröffnete und dann dieses Buch schrieb….nur versteht es hierzulande der Mainstream leider nicht.

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  2. Also Schweinebauch oder wie es bei uns in A heißt, steht hier des Öfteren auf dem Tisch, wir nennen das dann Kümmelbraten, allerdings wird’s nur gebraten. Dennoch gut! und wenn ich so einen fetten Bauch seh, denk ich soofooorrrt an das köstliche Grammelschmalz:-) und an meine Grammelknödel von heute Mittag
    lg. S.

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  3. Bauchfleisch heißts bei uns..seufz

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  4. Bei uns zu Hause wurde die Erbsensuppe immer mit Pfötchen , Eisbein Schweineohr und Schwänzchen gekocht . Sie gelierte dadurch sehr und schmeckte ausgesprochen gut . Ich koche sie heute noch mit Pfötchen und Eisbein ,- Ohr und Schwänzchen bekommt man nur noch sehr selten. Dein Rezept gefällt mir sehr gut und es sieht sehr lecker aus .

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  5. ja, back to the roots – so kenne ich es von frühester Kindheit an .Bei unserer Hausschlachtung wurde alles verwurstelt – die übrige Schwarte machte die Ostereier glänzend! Danke für den wunderbaren, sachlichen Beitrag und das sehr gut dargestellte Rezept.

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