Blaukraut, Rotkohl, Thermomix?


Oh je!! Da, wo ich herkomme, heißt Rotkohl Blaukraut. Ich habe das in die Suchmaschine eingegeben, um mir ein paar Anregungen für den korrekten Titel zu holen, und bin ganz schockiert! Da kommt gleich auf der ersten Seite…Fasten your seat belts, fellas…THERMOMIX ® REZEPT BLAUKRAUT – ZUM REINLEGEN:)

Wow! Ich bin be(ent)geistert!! Äpfel, Rotkohl und Zwiebel rein in das Ding, rrr-rrrr-cht-cht, Schmalz dazu (ja, ganz richtig beobachtet: ‚Schmalz‘ – vom Schwein? Von der Gans? Von der Ente? Wurscht – macht für Thermomixfans keinen Unterschied!) und 6 min. auf Stufe 2 ‚Varoma‘ andünsten. Aha? ‚Varoma‘. Hmmm…dann die restlichen Zutaten (ohne Johannisbeergelee, aufgemerkt! (frei nach Erwin Pelzig) ) hinein in das Ding und 40 min. bei 100°C Stufe 2 kochen. Ääääh….hallo? Bis hierhin macht das wenig Unterschied zum Kochen alter Schule. Mit einer Ausnahme: Die Zutaten werden aufs Brutalste geschreddert in dem Teil! Matschepampe. Dankeschön! Warum macht ihr es Euch nicht einfach, liebe Thermomix-Jünger, und kauft euch ein Glas Apfelrotkohl von Künzel oder Stutenberg, haut das Zeug in ’nen Topf und macht es in weniger als 10 Minuten warm?? Ist billiger und braucht einen Bruchteil der Zeit. Nachträglich aromatisieren lässt es sich auch. Aaaaber…..

Man schreddert kein Gemüse. Basta! Wer seine Zutaten liebt, behandelt sie auch liebevoll. Kochen ist wie eine Liebesbeziehung. Spannend, zärtlich, emotional, romantisch. Und manchmal auch seeehr spannend, wenn ein rasiermesserscharfes Teil japanischer Provenienz dazu kommt. Neben der Verwendung für japanische Liebesspielpraktiken für Fortgeschrittene, auf die ich an dieser Stelle nicht näher eingehe, kann solch ein Messer auch wunderbar feine Julienne schneiden. Wer nicht weiß, was Julienne ist, darf hier gerne aussteigen – danke für die Aufmerksamkeit bis hier hin.

Von einem kleinen Kopf Rotkohl die äusseren Blätter entfernen, vierteln und mit diesem tödlich scharfen Messer in dünne Streifen schneiden. Mit 3 EL Zucker und 2 Tl bestem Salz bestreuen. Die Schüssel leicht schütteln. 4 Gewürznelken, 2 Wacholderbeeren, ein 2 cm Stück Zimtrinde, 1 TL schwarze Pfefferkörner und ein Lorbeerblatt in einer Gewürzmühle fein mahlen und dazu geben. 5 EL Weißwein- oder Champagneressig drüber träufeln. Gut durchmischen, am besten mit den Händen durchkneten. Über Nacht im Kühlschrank marinieren lassen. Zugedeckt!

Fürs Durchkneten (des Rotkohls, natürlich) ist so kurz vor dem großen Dîner, ein adäquater Handschutz angebracht – es sei denn, dem Koch oder die Köchin macht es nichts aus, mit blauen Fingern am Tisch zu sitzen 😉

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Apfelrotkohl. DER Klassiker! Mach ich anders. Kennt ihr diese japanischen Birnen, die wie gelbe Äpfel aussehen? ‚Nashi-Birne‘ schreibt die Reklame. Blödsinn! ‚Nashi‘ ist Japanisch und heißt….Birne! Also Birne-Birne?? Macht sich richtig gut mit Rotkohl.

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Zwei kleine Zwiebeln schälen, vierteln und in dünne Streifen schneiden. Mindestens 5 EL Gänseschmalz in einem Schmortopf erhitzen. Bestes GÄNSESCHMALZ, bitte! Nichts Anderes! Kein ‚mit 10% Gänseschmalz verfeinertes Schweineschmalz‘ ausm Supermarkt. Vergesst das. Das ist industriell hergestelltes Zeug. Taugt allenfalls für die Thermomixjünger. Das marinierte Rotkraut in eine Küchensieb geben und gut abtropfen lassen. Die Zwiebeln glasig dünsten, Temperatur erhöhen und das abgetropfte Rotkraut dazu geben. 10 Minuten bei mittlerer bis hoher Hitze dünsten, bis das Kraut etwas zusammengefallen ist. Nashi halbieren, die eine Hälfte schälen, entkernen, in kleine Stücke schneiden und unter das Rotkraut mischen. Die Andere Hälfte ebenfalls entkernen, aber ungeschält in kleine Stücke schneiden, mit Zitronen- oder Limettensaft beträufeln (dann werden sie nicht braun) und beiseite stellen. Ein großes Glas (etwa 250 ml) guten Rotwein darüber gießen und einkochen lassen, bis die Flüssigkeit komplett verkocht ist. Mit 200 ml Gänsefond ablöschen und den Saft einer großen Orange, frisch gepresst, und einen gesunden Schuss Balsamico dazu geben. Gut umrühren, auf kleine Hitze reduzieren und für 1h ohne Deckel schmoren lassen. Gelegentlich umrühren.

Die vorbereiteten Nashi-Stücke unterheben und für 10 Minuten weiter schmoren lassen. Mit Salz, schwarzem Pfeffer aus der Mühle und etwas frisch geriebener Muskatnuss abschmecken.

Eine Alternative zum Gänseschmalz lass ich gelten, wenn das Blaukraut zum Spanferkel oder Schweinebraten serviert wird. Lardo di Colonnata! Die Salzkruste vom Speck mit Küchenpapier gut abreiben, den Speck mit Rinde in Stücke schneiden und laaangsam auslassen, bis sich aus der Schwarte Grammeln bilden. Die Grammeln herausheben und den zerlassenen Speck wie das Gänseschmalz verwenden. Gänsefond in diesem Fall durch Gemüse- oder Kalbsfond ersetzen. Vor dem Servieren die Grammeln dazugeben.

Das passt wunderbar zum Gänse- oder Entenbraten, aber auch zum Spanferkel- oder Schweinebraten mit Klößen macht es ne gute Figur. Eine Gans- oder Entenbrust mal mit separat knuspriger Haut probieren? Das lässt sich sehr schön anrichten. Wer ein bisschen rumstöbert, findet auch die Anleitungen dazu hier in diesem Theater 😉 In einer beschichteten Pfanne leicht angebratene Nashi-Scheiben machen sich als Deko übrigens auch sehr gut.

Und wer so etwas brav ohne Thermomix nach althergebrachten Küchentechniken kocht, der wird nicht nur mit einem Gourmet-Rotkohl belohnt, sondern auch mit anderen erlesenen Köstlichkeiten.

Ich wünsche euch ein Frohes Fest!

Kategorien:Basics, Feine Küche, HausMANNSkost, KlassikerSchlagwörter:, , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

16 Kommentare

  1. Du bist auch nicht gerade der ausgewiesene Thermomix-Fan, scheint mir… 🙂
    Obwohl für irgendwas wird man das Dinge schon brauchen können. Dann kauf ich mir auch einen… 😉

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  2. Nashi (Nashi-Nashi) und Gänsefond. Das unterscheidet uns dann doch – vielleicht nicht mehr lange. I will give it a try!
    Aus einem Brotbackforum bin ich schreiend ausgestriegen, weil dort das Brot auch in dieser Wundertütet gemacht wurde.
    Ich sag mal – das würde ich ja zur Not noch akzeptieren. Statt Dopf einen Thermomix. Aber Blaukraut…..?
    Schön gemacht! Und danke für die Birenidee!

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  3. Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid….usw.
    Thermomix bleibt Thermomix, geht zwar fix, schmeckt aber nix…
    Ok. Ob es nicht schmeckt weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, denn dieses Gerät wird die Küchenarbeitsplatte im House niemals berühren. Wer wirklich Spaß am Kochen hat, erlebt die Zubereitung seiner Speisen hautnah mit. Und wenn es ein tiefer Schnitt mit dem japanischen Messer im Finger beim Rotkohl zu Julienne zerkleinern ist. Auch das gehört dazu. Schreddern kann meine Küchenmaschine auch…ja sogar rühren….und kneten…und…
    Nur nicht kochen. Aber das kann ich! Ohne vorgefertigte Knöpfchen zu drücken, Programme zu wählen oder sonstiges. Kochen eben! Weil es Spaß macht und ich mich während jedes einzelnen Vorgangs auf das Essen freue. Kochen ist für mich nicht nur eine Notwendigkeit, um kurz darauf Nahrung aufnehmen zu können. Kochen ist Glück!!! Und wenn im Hintergrund leise der Küchenwecker tickt, das Messer wie Butter den Thunfisch in hauchdünne Scheiben schneidet und sich benutze Töpfe und Pfannen in der Küche stapeln, dann breitet sich ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit in mir aus. Kein Thermomix auf dieser Welt könnte so etwas auslösen!
    Danke für diesen Beitrag. I agree!

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  4. Hach! Wieder so ein schönes Post!
    Ich liebe kritische Stimmen zu Dingen so die halberte Welt meint, nicht ohne auskommen zu können. Wer kochen kann, der braucht keinen Thermomix! Sollte er je auch staubsaugen können oder mir Einkäufe ersparen, weil er das selber kann, kann ich mir immer noch den Ankauf überlegen.

    Danke dass du es immer wieder aussprichst, was so viele denken!
    Liebe Grüße Sina

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  5. Sowas wie: „man schreddert sein Gemüse nicht!… Und behandelt es mit Liebe und Sorgfalt“ kann auch nur jemand schreiben der viel Zeit zum kochen hat. Neben 4 Kindern und vollzeitjob, Haushalt und ausgewogener Ernährung für alle Beteiligten sehr sehr utopisch. . Bei thermomix -Besitzern darf man nicht vergessen dass sie sich für eine vitaminreiche und ausgewogene Ernährung einsetzen und einfach nur zeit und Aufwand sparen wollen. Verständlich bei einer kleinen oder auch großen Familie die einfach in jeder Hinsicht viel Arbeit macht. Aber als eingefleischter Koch und Mann muss man das auch nicht verstehen… Trotzdem danke für den Hinweis… Künftig werde ich mein Gemüse mit mehr Respekt behandeln 🙂 LG

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    • Na, na, Miriam – einen Kohlkopp schneide ich mit einem guten Messer in weniger als 5 Minuten in feine Streifen. Wegen 5 Minuten Zeitersparnis lasse ich mir doch das Kocherlebnis nicht entgehen… 😉 Übrigens hat man es als Unternehmer mit 80-Stunden-Woche auch nicht gerade einfach, aber der eine rennt in die Muckibude, der andere hockt vor der Glotze und für manche ist was Gutes kochen pure Entspannung! In diesem Sinne: keep cookin‘ 🙂
      LG Tommy

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  6. Sehr schön geschrieben und eine Variante des Rezeptes werde ich definitiv ausprobieren demnächst (wie ja auf Instagram angedroht 😉 ), allerdings hoffe ich, dass du mir vergeben wirst, wenn ich sowohl Schmalz als auch Gänsefond rauslasse und es mit Gemüsebrühe/Fond ersetze. 🙂
    Wobei ich nicht rauslesen konnte wo du den Laphroaig einsetzt oder ist der nur Deko für das Bild?

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    • Dankeschön 🙂 Das Gänseschmalz ist eigentlich schon essentiell, aber ich kann durchaus verstehen, wenn man es aus gesundheitlichen Gründen meiden muss/will (oder weil man vegetarisch/vegan lebt) – in diesem Fall würde ich ein gutes Öl verwenden…Erdnussöl oder Rapsöl hoher Qualität. Olivenöl oder andere Öle mit starkem Eigengeschmack eher nicht. Und der Laphroaig (und die Zigarre) bezogen sich auf den Schlusssatz des Artikels „Und wer so etwas brav ohne Thermomix nach althergebrachten Küchentechniken kocht, der wird nicht nur mit einem Gourmet-Rotkohl belohnt, sondern auch mit anderen erlesenen Köstlichkeiten.“ 😉

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      • Darauf wirds bei mir hinauslaufen (weil vegetarisch und so), aber was anderes als gutes Öl kommt mir eh nicht in die Küche… Dafür sind die anderen was ihren Geschmack angeht auch einfach zu teuer dann!
        Ah Mist! Ich suche doch regelmäßig Gerichte in die ich meine Whiskys mit hineinspielen lassen kann! Bisher war ich nur erfolgreich darin Fleischmarinaden zu finden in denen welcher verwendet wird.
        Chapeau zum guten Geschmack allerdings, auch wenn ich eher der weniger rauchige Typ bin 😉

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